Wer die Finanzmärkte verstehen will, muss nicht nur auf die Aktienkurse schauen. Ein oft übersehener, aber unglaublich wichtiger Indikator liegt in den Unternehmensanleihen. Die Preise und Renditen von Anleihen können uns viel über die finanzielle Stabilität eines Unternehmens und seine Zukunftsaussichten verraten – Informationen, die Aktienkurse nicht immer sofort widerspiegeln.
In diesem Artikel tauchen wir in die Welt der Unternehmensanleihen ein, erklären, wie sie funktionieren, und zeigen, wie Anleger wertvolle Informationen daraus ableiten können. Besonders wichtig ist dies bei Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad oder erhöhtem Insolvenzrisiko. Wir nehmen dazu auch zwei konkrete Beispiele aus der Unternehmenswelt unter die Lupe: Plug Power und Boeing.
Warum Schulden für Unternehmen wichtig sind
Unternehmen leihen sich Geld, um ihre Geschäftstätigkeit zu finanzieren – sei es für Investitionen, Übernahmen oder laufende Ausgaben. Das tun sie oft durch die Ausgabe von Anleihen. Für Investoren ist es wichtig zu wissen, wie hoch die Schulden eines Unternehmens sind und wie gut es in der Lage ist, diese zu bedienen.
Zum Beispiel hat Procter & Gamble (P&G) am Ende seines letzten Geschäftsjahres insgesamt 33,7 Milliarden Dollar Schulden angehäuft. Für ein etabliertes Unternehmen wie P&G spielt das zwar eine Rolle, weil Zinszahlungen den Cashflow beeinflussen und Schulden die Bewertung des Unternehmens mitbestimmen, aber die Details der einzelnen Anleihen sind weniger entscheidend. Solche Blue-Chip-Unternehmen, die über solide Geschäftsmodelle verfügen und nachhaltige Gewinne erwirtschaften, werden nicht als insolvenzgefährdet betrachtet.
Anders sieht es jedoch bei kleineren oder risikoreicheren Unternehmen aus. Hier können Anleihepreise und -renditen enorm wichtige Hinweise darauf geben, wie stabil das Unternehmen ist und wie hoch das Insolvenzrisiko eingeschätzt wird.
Wo findet man Anleihepreise
Anleihepreise sind öffentlich zugänglich, z. B. über FINRA in den USA. Dort können Anleger Preise und Renditen von Unternehmensanleihen einsehen und bewerten.
Wichtig zu verstehen ist, dass sich Anleihepreise und Renditen immer in die entgegengesetzte Richtung bewegen: Fällt der Preis einer Anleihe, steigt die Rendite – und umgekehrt.
Für Anleger ist vor allem die sogenannte Rendite bis zur Fälligkeit (YTM, Yield to Maturity) von Bedeutung. Diese gibt an, wie viel ein Investor bis zum Fälligkeitsdatum der Anleihe verdienen würde, wenn er sie hält. Die YTM berücksichtigt dabei die Zinszahlungen und die Differenz zwischen dem aktuellen Kaufpreis und dem Nennwert der Anleihe.
Die YTM berücksichtigt folgende Faktoren:
- Zinszahlungen (Coupons), die bis zur Fälligkeit der Anleihe gezahlt werden.
- Den Unterschied zwischen dem aktuellen Marktpreis der Anleihe und ihrem Nennwert, der am Ende der Laufzeit zurückgezahlt wird.
- Die Restlaufzeit der Anleihe.
Spreads im Sekundärmarkt: Ein Blick auf das Risiko
Anleiherenditen werden häufig mit der Rendite risikofreier Anlagen wie US-Staatsanleihen verglichen. Die Differenz zwischen der Rendite einer Unternehmensanleihe und der einer Staatsanleihe nennt man Spread. Dieser Spread zeigt, wie der Markt das Risiko des Unternehmens einschätzt: Je höher der Spread, desto riskanter wird das Unternehmen von Investoren wahrgenommen.
Schauen wir uns ein paar konkrete Beispiele an.
Fallbeispiel 1: Boeing – Ein moderates Risiko
Boeing, ein globaler Flugzeughersteller, ist ein interessantes Beispiel. Das Unternehmen hat im Laufe der Jahre beträchtliche Schulden angehäuft und kämpft aktuell mit den Nachwirkungen der Pandemie und operativen Herausforderungen.
Eine Boeing-Anleihe, die 2031 fällig wird, bietet derzeit eine Rendite von 5,63 %. Zum Vergleich: Eine US-Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit hat eine Rendite von 4,098 %. Das ergibt einen Spread von 153 Basispunkten.
Dieser Spread signalisiert ein gewisses Risiko, aber nichts Dramatisches. Investoren sehen Boeing als mäßig risikobehaftet an. Es gibt zwar Bedenken, zum Beispiel durch den laufenden Arbeitsstopp der Gewerkschaft IAM, der die Produktion behindern könnte. Sollte dieser Konflikt nicht bald gelöst werden, droht Boeing sogar eine Herabstufung der Anleihen in den „Junk“-Bereich. Das wäre ein schwerer Schlag für das Unternehmen und seine Kreditwürdigkeit.
Für Aktieninvestoren bedeutet dies, dass Boeing zwar immer noch als solide wahrgenommen wird, aber unter bestimmten Umständen – wie anhaltenden operativen Problemen – das Risiko steigt, was auch den Aktienkurs beeinflussen könnte.
Fallbeispiel 2: Plug Power – Hohe Unsicherheit
Ein völlig anderes Bild zeigt sich bei Plug Power, einem Unternehmen, das sich auf Wasserstofflösungen und Brennstoffzellen spezialisiert hat. Plug Power gilt als hochinnovativ, aber gleichzeitig auch als hochriskant, da es stark verschuldet ist und noch keine Gewinne erzielt.
Die Unternehmensanleihe, die 2026 fällig wird, bietet derzeit eine Rendite von unglaublichen 17,18 %. Im Vergleich dazu bietet eine 10-jährige US-Staatsanleihe eine Rendite von 4,098 %. Der Spread liegt hier bei satten 1.308 Basispunkten – ein klares Zeichen dafür, dass der Markt ein erhebliches Insolvenzrisiko für Plug Power sieht.
Für Investoren ist das ein rotes Warnsignal. Eine solch hohe Rendite bedeutet, dass die Anleihemärkte skeptisch sind, ob Plug Power in der Lage sein wird, seine Schulden zu bedienen und das Unternehmen langfristig profitabel zu betreiben. Das Risiko einer Insolvenz in den nächsten Jahren wird als erheblich eingestuft. Für Aktienanleger ist das ein Hinweis darauf, dass es im Moment sehr viel Risiko gibt – auch wenn die langfristigen Chancen groß sein könnten, ist die kurzfristige Unsicherheit enorm.
Was uns der Spread sagt
Die obigen Beispiele zeigen deutlich, wie Anleiherenditen und Spreads als Risikobarometer fungieren. Während ein Unternehmen wie Apple, dessen Anleihen nur einen geringen Spread von rund 40 Basispunkten zur Staatsanleihe haben, als extrem sicher wahrgenommen wird, spiegelt sich in Plug Powers hohem Spread die große Unsicherheit wider. Boeing lässt sich mit einem Spread von rund 150 Basispunkten in der Mitte der beiden Unternehmen ansiedeln.
Einige Investoren argumentieren, dass Anleihepreise oft bessere Informationen über das Risiko eines Unternehmens liefern als Aktienpreise. Der Grund: Anleiheinvestoren haben ein begrenztes Renditepotenzial – sie wollen nur ihr Geld und ihre Zinsen zurück. Deshalb fokussieren sie sich stark auf das Risiko, das sie eingehen. Aktieninvestoren können hingegen auf größere Gewinne spekulieren, falls ein Unternehmen besonders erfolgreich ist.
Wenn Anleiheinvestoren jedoch beginnen, ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens zu haben, sollten auch Aktieninvestoren aufhorchen. Denn in den meisten Fällen verlieren Aktionäre alles, wenn Anleihegläubiger in einer Insolvenz Verluste erleiden.
FAQ Sektion:
Frage: Warum sind Anleihepreise für Aktienanleger relevant?
Antwort: Anleihepreise und -renditen spiegeln das Risiko eines Unternehmens wider, Schulden zurückzuzahlen. Wenn der Anleihemarkt ein hohes Risiko sieht, könnten auch Aktieninvestoren betroffen sein, da das Insolvenzrisiko steigt.
Frage: Was ist der Spread und warum ist er so wichtig?
Antwort: Der Spread ist die Differenz zwischen der Rendite einer Unternehmensanleihe und der Rendite einer risikofreien Staatsanleihe. Ein großer Spread signalisiert, dass der Markt ein höheres Risiko in der finanziellen Stabilität des Unternehmens sieht.
Frage: Was passiert mit Aktien, wenn Anleihen als risikoreich eingestuft werden?
Antwort: Wenn Anleihen als risikoreich eingestuft werden, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen finanzielle Probleme hat. In vielen Fällen verlieren Aktieninvestoren alles, wenn Anleiheinvestoren in einer Insolvenz Verluste erleiden.
Schlusswort
Anleihepreise bieten wertvolle Einblicke in die finanzielle Gesundheit eines Unternehmens. Für Investoren, die langfristige Risiken minimieren wollen, sind sie eine entscheidende Informationsquelle. In Zeiten erhöhter Unsicherheit, wie sie bei Unternehmen wie Plug Power bestehen, können hohe Anleiherenditen und große Spreads ein deutliches Warnsignal sein. Aktieninvestoren sollten diese Signale ernst nehmen und in ihre Entscheidungen einfließen lassen.
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