Wenn du ein Unternehmen bewerten möchtest, landest du ziemlich schnell bei einer oft zitierten Theorie: Der Wert eines Unternehmens entspricht der Summe all seiner zukünftigen Cashflows, abgezinst auf den heutigen Tag. Einfacher gesagt, ein Unternehmen ist so viel wert wie das Geld, das es in den kommenden Jahren einbringt – mit dem kleinen, aber entscheidenden Zusatz, dass zukünftige Dollars weniger wert sind als heutige.
Klingt logisch, oder? Aber hier kommen die Probleme: Wie stark sollten diese zukünftigen Cashflows abgezinst werden? Und warum? Die Antwort hängt von Inflation und Zinsen ab. Wenn du 5 % Zinsen von der US-Regierung für eine einjährige Anleihe bekommst, ist ein Dollar in einem Jahr eben weniger wert als 95 Cent heute. Klingt erstmal einfach.
Doch so einfach ist es leider nicht, denn ein weiterer Faktor kommt ins Spiel: Risiko. Höheres Risiko, höherer Abzinsungssatz – logisch. Aber dann stehst du wieder am Anfang: Wie hoch soll der Abzinsungssatz sein, und warum? Nehmen wir Tesla als Beispiel. Kritiker würden sofort einwenden, dass jeder Automobilhersteller riskant ist. Befürworter würden dagegenhalten: Tesla ist ein Innovationsführer mit diversifizierten Einnahmequellen und einem CEO, der fast schon eine Legende ist. Wer hat nun recht?
Die noch größere Frage ist: Wie sollst du als Investor überhaupt wissen, wie hoch die zukünftigen Cashflows sein werden? Hier liegt das wahre Problem.
Wenn Prognosen zur Falle werden
Modelle zur Bewertung von Unternehmen, wie das sogenannte „Discounted Cashflow“-Modell (DCF), haben eine große Schwachstelle: Sie sind nur so gut wie die Daten, die du eingibst. Falsche Daten führen zu falschen Ergebnissen – und schlimmer noch, sie geben dir das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, obwohl das Gegenteil der Fall ist.
Stell dir vor, du hast ein Unternehmen, das einen freien Cashflow von 2,00 Dollar pro Aktie generiert, der jedes Jahr um 5 % wächst. Du verwendest einen Abzinsungssatz von 8 %. Laut DCF-Modell wäre die Aktie etwa 43 Dollar wert. Aber was passiert, wenn das Wachstum nur 3 % beträgt und du den Abzinsungssatz auf 10 % erhöhst? Plötzlich fällt der Wert der Aktie auf rund 27 Dollar. Dabei hast du nur minimale Änderungen vorgenommen.
Das zeigt, wie wichtig die richtigen Annahmen sind. Wenn du von Anfang an danebenliegst, liegst du auch in Zukunft falsch – und das kann dich teuer zu stehen kommen.
Warum Cashflow der wahre Held ist
Jetzt fragst du dich vielleicht: Warum sprechen wir hier ständig über Cashflow und nicht über den Gewinn bzw. Earnings? Schließlich dreht sich in den Medien und bei vielen Anlegern alles um den Gewinn. Die „Earnings Season“ wird jedes Quartal wie ein großes Ereignis gefeiert, während der Cashflow eher ein unscheinbares Dasein fristet. Doch in Wirklichkeit ist es der Cashflow, der zählt. Warum? Weil er „echt“ ist.
Ein Dollar an Cash kann sofort reinvestiert, für Dividenden verwendet oder für Aktienrückkäufe genutzt werden. Er ist greifbar. Gewinn hingegen ist oft nur eine buchhalterische Zahl – eine Zahl, die sich gut auf einem Papier macht, aber nicht unbedingt mit dem echten Leben übereinstimmt. 100 Millionen Dollar Cashflow sind 100 Millionen, die tatsächlich auf das Konto des Unternehmens fließen. 100 Millionen Dollar Gewinn können dagegen leicht durch Abschreibungen, Rückstellungen oder andere buchhalterische Tricks beeinflusst werden.
Wo liegt der Unterschied zwischen Cashflow und Gewinn?
Schauen wir uns das genauer an. Der Gewinn wird oft durch buchhalterische Posten wie Abschreibungen oder Amortisationen „aufgehübscht“. Diese Posten zeigen zwar theoretisch den Wertverlust von Vermögenswerten, haben aber keinen Einfluss auf den tatsächlichen Geldfluss. Cashflow hingegen zeigt dir genau, wie viel Geld tatsächlich im Unternehmen bleibt.
Es gibt aber noch mehr: Viele Unternehmen nutzen flexible Buchhaltungsansätze, um ihre Gewinne aufzupolieren. Große Tech-Unternehmen wie Google oder Meta haben letztes Jahr einfach die Nutzungsdauer ihrer Server verlängert, um die jährlichen Abschreibungen zu senken und ihre Gewinne zu steigern. Sieht auf dem Papier gut aus, oder? Aber das ändert nichts daran, wie viel Geld tatsächlich ins Unternehmen fließt.
Warum der Gewinn trotzdem wichtig bleibt
Jetzt denkst du vielleicht: „Okay, Cashflow ist also das einzig Wahre?“ Nicht ganz. Der Gewinn hat seine Daseinsberechtigung, und zwar vor allem, weil er ein konsistenteres Bild der Unternehmensleistung liefert. Cashflow kann stark schwanken – durch Lagerbestände, offene Rechnungen oder Bonuszahlungen an Mitarbeiter. Das alles kann den Cashflow in einem bestimmten Quartal nach oben oder unten treiben, ohne dass es wirklich etwas über die langfristige Stärke des Unternehmens aussagt.
Hier kommt der Gewinn ins Spiel. Gewinne glätten diese Schwankungen und geben dir einen klareren Blick darauf, wie das Unternehmen langfristig läuft. Abschreibungen helfen dabei, Investitionen über mehrere Jahre zu verteilen, sodass die Auswirkungen großer Ausgaben gleichmäßiger auf die Geschäftsjahre verteilt werden. Das sorgt für Stabilität und erleichtert es, Trends zu erkennen.
Schlusswort: Cashflow und Gewinn – beide haben ihre Stärken
Am Ende des Tages ist der Cashflow das, was dir als Anleger zeigt, wie viel Geld das Unternehmen tatsächlich erwirtschaftet. Aber der Gewinn bietet dir eine geglättete, realistischere Sicht auf die kontinuierliche Geschäftsentwicklung. Beide Kennzahlen haben ihre Berechtigung – und erfolgreiche Investoren lernen, sowohl auf den Cashflow als auch auf den Gewinn zu achten, um das vollständige Bild eines Unternehmens zu sehen.
Denn am Ende zählt, dass du das Gesamtbild verstehst, um die richtigen Entscheidungen für dein Portfolio zu treffen.
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