NÜRNBERG (dpa-AFX) - Trotz der sich eintrübenden Stimmung in vielen Chefetagen deutscher Unternehmen zeigt sich der Arbeitsmarkt weiter robust. Nach einer vorübergehenden Frühsommerflaute gewann der Stellenmarkt im Juli sogar leicht an Fahrt. Zum Beginn der Sommerpause waren 2,871 Millionen Männer und Frauen ohne Arbeit. Das waren zwar saisonbedingt 39 000 mehr als im Juni, aber 43 000 weniger als vor einem Jahr, berichtete die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg. Die Arbeitslosenquote stieg im Juli um 0,1 Punkte auf 6,6 Prozent.
Die BA verzeichnete die niedrigste Juli-Arbeitslosigkeit seit der deutschen Wiedervereinigung. Ähnlich gering war die Arbeitslosigkeit zuletzt nur im Boomjahr 2012; damals hatte die Erwerbslosigkeit das Rekordtief nur knapp verfehlt. Ohne die im Juli meist stärker ausgeprägten Saisoneffekte wäre die Arbeitslosenzahl sogar um 12 000 gesunken.
Bundesagentur-Chef Frank-Jürgen Weise zeigte sich zufrieden: "Der Arbeitsmarkt ist insgesamt stabil." Für den leichten Anstieg im Juli machte er allein jahreszeitliche Gründe verantwortlich. Zum einen verschöben viele Unternehmen in den Ferienmonaten ihre Einstellungen auf den Herbst. Zum anderen meldeten sich deutlich mehr Jugendliche als sonst nach abgeschlossener Schul- oder Berufsausbildung vorübergehend arbeitslos. "Im Herbst geht die Jugendarbeitslosigkeit wieder deutlich zurück."
"Stabil und in guter Form" sieht auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) den Arbeitsmarkt. Erfreut zeigte sie sich vor allem über die positive Entwicklung bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Im Mai gab es nach einer BA-Hochrechnung mit 29,72 Millionen rund 442 000 mehr Arbeitsplätze als vor einem Jahr. Die Zahl der Erwerbstätigen wuchs im Jahresvergleich zuletzt im Juni um 377 000 auf 42,24 Millionen. Viele neue Stellen seien in der Industrie entstanden, berichtete Weise.
Für das zweite Halbjahr erwartet er keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, "aber auch keine Verschlechterung". Daran dürfte nach seiner Einschätzung auch der sich zuspitzende Konflikt zwischen dem Westen und Russland im Zuge der Ukraine-Krise nichts ändern. Er wisse durchaus, dass diese Krise vor allem exportorientierte Unternehmen verunsichere, sagte Weise - etwa den Maschinenbau, inzwischen aber auch konsumorientierte Branchen. "Aber dass sich das schon auf dem Arbeitsmarkt auswirkt, sehe ich nicht." Dazu sei der Handel mit Russland mit einem Volumen von jährlich rund 80 Milliarden Euro womöglich nicht groß genug.
Schließlich gebe es auch noch "gegenläufige Bewegungen", die die Folgen der internationalen Krisen "ausbalancierten". So gab es im Juli fast eine halbe Million freie Stellen. Viele Unternehmen suchten weiter Fachkräfte. Manche würden sie gar nicht mehr öffentlich ausschreiben, weil sie die Suche für aussichtslos hielten.
Wie gering die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt derzeit sind, lässt sich nach Weises Überzeugung auch an der Zahl der Kurzarbeiter ablesen. Denn Kurzarbeit sei meist das erste Instrument, das Unternehmen nutzten, wenn schwache Exporte zu einer plötzlichen Auftragsflaute führten. "Und die Kurzarbeit liegt weiter auf sehr niedrigen Niveau", betonte der Chef der Bundesbehörde. Zugleich warnte er vor seiner Ansicht nach unbegründeten Krisenszenarios: "Wir müssen uns davor hüten, Effekte, die uns (im Zusammenhang mit den internationalen Krisen) emotional betroffen machen, da reinzurechnen."/kts/DP/bgf