Cleveland/Berlin (Reuters) - Fünf Wochen vor der Präsidentenwahl in den USA haben sich Amtsinhaber Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden in ihrem ersten TV-Duell einen hitzigen Schlagabtausch geliefert.
Die etwa 90-minütige Debatte in der Nacht zu Mittwoch war geprägt von gegenseitigen Beleidigungen und persönlichen Angriffen. Streckenweise verlief sie regelrecht chaotisch. Trump fiel Biden ständig ins Wort, woraufhin der Ex-Vizepräsident an einer Stelle besonders scharf zurückgiftete: “Halt doch mal den Mund, Mann. Das ist so was von unpräsidial.” Der Demokrat schimpfte Trump einen “Clown”, “Lügner”, “Rassisten”, “Putins Schoßhündchen” und den “schlechtesten Präsidenten, den Amerika je hatte”. Trump konterte: “Nichts an Dir ist schlau, Joe.” Mit Blick auf die Unruhen bei Anti-Rassismus-Protesten rief der Republikaner Rechtsextremisten dazu auf, sich zurück-, aber auch bereitzuhalten.
Inhaltlich wurden beide nur selten konkret. Die Themen reichten von der Corona-Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen über den Streit um den vakanten Posten am Obersten Gerichtshof, Trumps unveröffentlichter Steuererklärungen bis hin zu Rassismus und Klimawandel. Erneut ließ Trump offen, ob er eine Niederlage am 3. November ohne weiteres hinnehmen werde, und warnte vor massivem Wahlbetrug im Zusammenhang mit der Briefwahl. “Das wird ein Betrug sein, wie Sie ihn noch nie gesehen haben.” Das Ergebnis werde womöglich noch Monate nach der Wahl nicht feststehen.
Auf die Frage des Moderators, ob er zur Ruhe aufrufen und darauf verzichten werde, seinen Sieg zu erklären, bis der Ausgang klar sei, antwortete der Republikaner, seine Anhänger sollten gut aufpassen. Er hoffe, dass die Wahl fair verlaufen werde. Aber wenn er sehe, dass “Zehntausende Wahlzettel manipuliert werden, kann ich da nicht mitziehen”. Biden erklärte - wie auch zahlreiche Experten -, die Briefwahl sei sicher. Er werde den Wahlausgang auf jeden Fall akzeptieren, ob er gewinne oder verliere. Aus Angst vor einer Infektion mit dem Virus dürften deutlich mehr Amerikaner als sonst diese Möglichkeit der Stimmabgabe nutzen, wobei davon ausgegangen wird, dass mehr Anhänger der Demokraten als der Republikaner darauf zurückgreifen.
TRUMP: JEMAND MUSS ETWAS GEGEN DIE ANTIFA UNTERNEHMEN
Als die Sprache auf die Ausschreitungen im Zuge der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt kam, reagierte Trump ausweichend auf die Frage, ob er weiße Rassisten und Milizen dazu aufrufen werde, nicht zu noch mehr Gewalt beizutragen. Trump warf “dem linken Flügel” vor, Schuld an der Gewalt zu sein. Dann erklärte er, er wolle “Frieden sehen”. Von Biden angesprochen auf die rechtsextremistische Gruppe “Proud Boys”, sagt der Präsident schließlich: “Proud Boys - haltet euch zurück und haltet euch bereit.” Jemand müsse “etwas gegen die Antifa unternehmen”. Er selbst empfahl sich einmal mehr als Verfechter von “law and order” - Recht und Ordnung. Biden warf Trump vor, Öl ins Feuer zu gießen und so die Gewalt anzufachen.
Ein stets wiederkehrendes Thema war die Corona-Pandemie. Auch rund um den Austragungsort des Duells an der Case Western Reserve University in Cleveland wurden Vorkehrungen getroffen, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Anders als üblich verzichteten die beiden Kandidaten deshalb zum Auftakt der Debatte etwa auf einen Handschlag zur Begrüßung. Biden warf Trump vor, bei der Bekämpfung des Virus “keinen Plan” zu haben. Der Präsident habe gelogen und sei im Angesicht der Pandemie in “Panik geraten”. Er solle aus seinem “Bunker” und von seinem Golfplatz kommen und Leben retten. Trump entgegnete, China sei Schuld an dem Virus. Wenn man auf Biden gehört hätte, wären die USA “weit offen gewesen”. Er aber habe das Land “geschlossen” und einen “großartigen Job” gemacht.
TRUMP: AUCH DER MENSCH TRÄGT ZUR ERDERWÄRMUNG BEI
Biden entgegnete, unter Trump seien die USA schwächer und kranker geworden. Der Präsident habe das Land tiefer gespalten und in eine Rezession gestürzt. Vergleichsweise konkret wurde Biden beim Thema Umweltschutz. Er kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs verstärkt auf erneuerbare Energien, eine “grüne Infrastruktur” und E-Autos setzen. Es ließen sich Millionen gut bezahlte Jobs schaffen. Er werde dafür sorgen, dass die USA wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten. Trump hatte dieses einseitig aufgekündigt. In der Debatte räumte er aber ein, dass “viele Dinge” und “zu einem gewissen Ausmaß” die Verschmutzung durch den Menschen und Treibhausgase zu einer Erwärmung des Planten beitragen würden.
Für beide Kandidaten stand in dieser ersten von insgesamt drei TV-Debatten viel auf dem Spiel. Trump liegt seit Monaten in landesweiten Umfragen hinter Biden - was aber wegen des US-Wahlsystems nicht entscheidend sein muss. Der 77-Jährige wiederum musste die Gelegenheit nutzen, um einem Millionen-Publikum an den Fernsehschirmen und in den Online-Medien zu zeigen, dass er anders als von Trump behauptet trotz seines Alters geistig und körperlich in der Lage ist, die Geschicke des Landes in den kommenden Jahren zu lenken. Entscheidend war denn auch für ihn, sich durch Trump nicht zu sehr provozieren und aus dem Konzept bringen zu lassen. Häufig suchte Biden den direkten Blickkontakt mit der Kamera und somit dem Publikum, wenn Trump versuchte, ihn zu unterbrechen. Der Präsident ließ sich davon trotz Ermahnungen nicht abbringen und legte sich stattdessen mehrfach mit dem Moderator Chris Wallace an.
Außenpolitik spielte an dem Abend keine Rolle. Es folgen noch zwei weitere TV-Duelle am 15. und 22. Oktober. Trumps Vizepräsident Mike Pence trifft zudem am 07. Oktober auf Bidens auserkorene Mitstreiterin Kamala Harris.