Investing.com – In den vergangenen Jahren wurden die Anleger von den Zentralbanken geradezu verwöhnt. Die Märkte wurden mit frischem Geld geflutet und so erreichten Indizes wie DAX, Nasdaq, S&P 500 immer neue Hochs, obwohl es an Krisen nicht mangelte.
Das veranlasst viele der jüngeren Investoren davon auszugehen, dass die Jagd nach neuen Rekordhochs weitergeht, unabhängig davon, was in der Welt passiert. Die Warnungen vor einer Krise werden in den Wind geschlagen, doch die Ausläufer des aufziehenden Sturmes sind unübersehbar, wie Michael T. Snyder erklärt:
Gewerbeimmobilien
In den USA hat sich die Stimmung im Gewerbeimmobiliensektor nicht nur eingetrübt, sie ist sogar negativ geworden. Die Leerstandsraten steigen und die während der Niedrigzinsphase aufgenommenen Baukredite müssen jetzt für teures Geld in die Anschlussfinanzierung.
Der Betrieb dieser Gebäude wird unwirtschaftlich und das Angebot an Objekten, die zum Verkauf stehen, nimmt zu. Die fehlende Nachfrage lässt die Preise sinken, weshalb die als Sicherheit bei den Banken hinterlegten Immobilien zunehmend von dem ursprünglich veranschlagten Betrag abweichen, was die Bilanzen der Finanzinstitute in Mitleidenschaft zieht.
Einer der großen Fonds, der in diesem Sektor unterwegs ist, ist Brookfield. In Washington, DC hat dieser für zwölf Bürogebäude eine Hypothek in Höhe von 161,4 Millionen Dollar laufen, die nicht mehr bedient werden kann.
Arbeitsmarkt
Die Arbeitsmarktzahlen, die trotz der Fed-Zinserhöhungsrallye in den vergangenen Monaten robust blieben, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele große Konzerne bereits Personal abbauen.
Besonders beunruhigend ist die heutige Meldung von Ernst & Young. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft entlässt in den USA 3.000 Mitarbeiter. Damit reagiert das Unternehmen auf die einbrechende Nachfrage in bestimmten Geschäftsbereichen.
Insolvenzen
Es gab zahlreiche Warnungen, dass die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2023 deutlich zunehmen wird, was nun eine Bestätigung findet. Laut Epiq Bankruptcy kam es im März zu einem Anstieg um 17 Prozent, von 36.068 ein Jahr zuvor auf jetzt 42.368. In den ersten drei Monaten dieses Jahres nahmen die Konkursanträge im Vergleich zu den Vormonaten jeweils zu.
Laut S&P Global Intelligence ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zwischen Februar und März um 22 Prozent gestiegen. Die Gesamtzahl der Firmenpleiten erreichte ihren höchsten monatlichen Stand seit Juli 2020, als die Corona-Pandemie die Welt fest im Griff hatte.
Am gestrigen Sonntag stellte Bed Bath & Beyond einen Insolvenzantrag nach Chapter 11. Die Kunden geben nicht mehr genügend Geld aus, um die insgesamt 480 Filialen des Unternehmens mit 14.000 Mitarbeitern zu unterhalten.
Eine CNBC-Umfrage ergab, dass die Amerikaner "die Wirtschaftsaussichten noch nie so negativ einschätzten" wie es aktuell der Fall ist.
Das ist insofern ein erschreckendes Zeichen, als dass die Amerikaner selbst zu Zeiten der Finanzkrise 2008/09 optimistischer gegenüber der Wirtschaft eingestellt waren.
Schuldenblase
Oft wurde angemahnt, dass der immens gestiegene Schuldenberg eine Lawine auslöst, die viele unter sich begraben wird. Im ersten Quartal 2023 konnten weltweit so viele Unternehmen ihre Verbindlichkeiten nicht fristgerecht bezahlen, wie seit letztem Quartal 2020 nicht mehr.
Die Rating-Agentur Moody´s gab bekannt, dass 33 der von ihr bewerteten Unternehmen nicht in der Lage waren, ihre Schulden zu bezahlen. Gut die Hälfte davon war im März de facto zahlungsunfähig, berichtete Snyder.
Staatsschulden
Keiner kann sich vorstellen, dass einem Land wie den USA der Staatsbankrott droht. Demokraten und Republikaner werden sich schon einigen, um die Schuldenobergrenze weiter zu erhöhen. Doch in Zeiten einer hohen Inflation noch mehr Geld zu drucken, um nicht zahlungsunfähig zu werden, ist an sich keine gute Idee – aber alternativlos.
Ein Grund, warum der Dollar international immer mehr an Bedeutung verliert. Eurizon SLJ Capital Ltd. ermittelte, dass der Dollar seit der Finanzkrise 2008 rund 22 Prozent seines Marktanteils einbüßte, Tendenz stark steigend.
Der IWF rechnet damit, dass die US-Schulden von 95 Prozent des BIP im Jahr 2023 auf 110 Prozent im Jahr 2028 steigen.
Laut einer Schätzung des Congressional Budget Office werden die US-Schulden im Jahr 2053 bei 195 Prozent des BIP liegen. Diese immense Beschleunigung liegt auch daran, dass dem US-Sozialfonds in nur 10 Jahren das Geld ausgeht. Wenn der Staat seinen sozialen Verpflichtungen wie bisher nachkommen will, dann wird dies nur über neue Schulden gehen, oder aber die Steuern werden erhöht.
Die propagierte Krise, die manche Marktteilnehmer für eine Manipulation der großen Banken halten, weil diese den Privatanlegern die bevorstehende große Rallye nicht gönnen, hat schon längst begonnen. Snyder sagt:
"Wir stecken in großen Schwierigkeiten.
Bis sich diese Wirtschaftskrise voll entfaltet hat wird es natürlich dauern.
Aber begonnen hat sie bereits."
Von Marco Oehrl