Investing.com - Die Aktie des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard (DE:WDIG) (WKN: 747206 / ISIN: DE0007472060) ist heute Morgen erheblich unter Druck geraten. Zwischenzeitlich verlor das Papier mehr als 6 Prozent. Mittlerweile konnte es seine Verluste aber fast wieder ausgleichen. Zuletzt wurde die Wirecard-Aktie nur noch 1,48 Prozent im Minus bei 85,47 Euro gehandelt.
Grund für den kurzzeitigen Pullback zu Börsenbeginn in Frankfurt auf 81,70 Euro war die spätabendliche Ad-hoc-Mitteilung, wonach der Jahresabschluss, der von der renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young überprüft wird, nicht wie vorher angesetzt bis zum 4. Juni 2020 abgeschlossen sein wird. Die Vorlage des Konzernabschlusses sowie die Bilanzpressekonferenz wurden um weitere zwei Wochen auf den 18. Juni verschoben. Die Hauptversammlung soll nun erst am 26. August stattfinden.
Auf den ersten Blick erscheint die Meldung als eine weitere negative Schlagzeilen in der Wirecard-Saga, und Shortseller werden diese wohl auch so aussehen lassen wollen. Allerdings könnte die mögliche Attacke von Leerverkäufern, die auf einen fallenden Wirecard-Aktienkurs setzen, im Sande verlaufen.
Schließlich hatte Ernst & Young dem Zahlungsdienstleister mittgeteilt, dass die ausländischen Prüfer "grundsätzlich ihre Prüfungshandlungen für Konzernzwecke finalisieren" konnten und dass es bislang "keine wesentlichen Feststellungen" bei der Prüfung des Jahresabschlusses gab. Ja, noch laufen die Prüfungshandlungen, aber warum sollte Wirecard so naiv sein und in der aktuellen Mitteilung schreiben, dass es "ein uneingeschränktes Testat" erwartet, wenn etwas an der Bilanz faul sein sollte. Oberstes Ziel von Wirecard wird im aktuellen Umfeld wohl sein, dass es eine erneute Kommunikationspanne wie bei der Vorlage des KPMG-Sonderberichts Ende April verhindern will, um so auch etwas von dem verlorengegangenen Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen.
Und womöglich ist die Verzögerung der Veröffentlichung des Jahresabschlusses schlichtweg auf die coronabedingten Beschränkungen zurückzuführen, die seit mehr als zwei Monaten das Wirtschaftsleben lahmlegen.
Alexander von Knoop, CFO Wirecard AG kommentierte:
"Die erneute Verzögerung bei der Vorlage eines testierten Abschlusses ist mehr als ärgerlich - mit oder ohne Covid-19“.
Eine andere Erklärung wäre, dass E&Y den Jahresabschluss besonders gründlich unter die Lupe nimmt, weil man sich im Zuge des KPMG-Berichts keine Fehltritte erlauben kann.
Daher sollte es auch nicht weiter überraschen, dass der Konzernabschluss doch noch einmal nach hinten verschoben wurde.
Positiv anzumerken ist außerdem die Tatsache, dass Wirecard davon ausgeht, "dass sich keine wesentlichen Abweichungen dieses sehr intensiv geprüften Abschlusses gegenüber den gemeldeten vorläufigen Zahlen ergeben“ werden, wie der Finanzvorstand klarstellte.
Wirecard hatte im Februar einen vorläufigen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro und ein vorläufiges Ergebnis (EBITDA) von 785 Millionen Euro gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr entspräche dies einem Umsatzwachstum von 38 Prozent und einem Gewinnwachstum von 40 Prozent. Operativ läuft es bei Wirecard also bestens und wenn der deutsche Zahlungsdienstleister Mitte Juni dann auch noch ein uneingeschränktes Testat erhalten sollte, dann könnte die Aktie rasch wieder in den dreistelligen Bereich hochschießen.
Auch das Chartbild von Wirecard sieht trotz des heutigen Pullbacks weiter konstruktiv aus, so dass eine mittelfristige Trendwende noch nicht vom Tisch ist. Neben dem Halten der Trendlinienunterstützung bei 76,50 Euro zeugt die Rückeroberung der 50-Perioden-Linie im 4-Stundenchart (aktuell bei 85,25 Euro) von Stärke.
Auch der Blick auf die technischen Indikatoren fällt positiv aus. Hervorzuheben ist dabei das positive Schnittmuster im MACD sowie die positiv aufgelöste RSI-Divergenz.
Den jüngsten Hochpunkten bei 87 bis 87,60 Euro kommt nun eine wichtige Bedeutung zu. Gelingt der Wirecard-Aktie der Spurt über diese Hürden, so bestünde Aufwärtspotenzial auf das Hoch vom 11. Mai bei 94,33 Euro sowie der 50-Tage-Linie bei gut 98 Euro. Danach könnte die Aktie die Glättung der letzten 100 Tage bei 112,57 Euro ins Visier nehmen.
Bei Kursen unter 80 Euro sollten Anleger derweil vorsichtig werden. Zur Absicherung bestehender Longpositionen bietet sich nach wie vor ein Stopp zwischen 72 bis 63,90 Euro. Letztere Kursmarke stellt die 100-Monats-Linie dar.
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