Istanbul (Reuters) - Türkische Truppen und mit ihnen verbündete Milizen sind am Sonntag nach eigenen Angaben in die kurdische Stadt Afrin im Norden Syriens eingerückt.
Das Stadtzentrum sei unter Kontrolle, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Fahnen der Türkei und der Rebellenmiliz Freie Syrische Armee (FSA) seien aufgezogen worden. Ein FSA-Sprecher sagte, die Kämpfer der kurdischen YPG-Miliz hätten sich zurückgezogen. Bereits in den Tagen vor dem jetzt verkündeten Einmarsch flohen Beobachtern zufolge Zehntausende Menschen aus Afrin. Die Türkei hatte im Januar eine Offensive gegen die YPG in Afrin gestartet und angekündigt, die Kämpfe auf andere Kurdengebiete auszuweiten.
"Die meisten Terroristen haben den Schwanz eingezogen und sind bereits geflohen", sagte Erdogan bei einer Kundgebung. "Im Zentrum Afrins wehen nun die Symbole von Vertrauen und Stabilität anstelle der Fetzen von Terroristen." Die türkischen Streitkräfte durchkämmen nach eigenen Angaben die Straßen auf der Suche nach Minen und Sprengfallen. Der FSA-Sprecher sagte, die Miliz sei vor dem Morgengrauen an drei Fronten in die Stadt eingerückt, ohne auf Widerstand getroffen zu sein.
Die YPG äußerte sich zunächst nicht. Nach Informationen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hielten die Kämpfe am Sonntagmorgen jedoch an. FSA-Kämpfer kontrollierten etwa die Hälfte der Stadt. Afrin ist eine von drei kurdischen Kantonen in Nordsyrien an der Grenze zur Türkei. Diese will mit der Militäraktion verhindern, dass sich ein zusammenhängendes kurdisches Einflussgebiet vom Irak über Syrien bis in die Türkei bildet. Die Regierung in Ankara hat bereits angekündigt, ihre Offensive auf andere Kurdengebiete auszuweiten, wo die YPG zusammen mit US-Kräften gegen die Islamisten-Miliz IS kämpft. Die Türkei wiederum hält die YPG für einen Ableger der dort verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Aus der Enklave Afrin flohen nach Angaben kurdischer Stellen und oppositionsnaher Beobachter in den vergangenen Tagen mehr als 150.000 Menschen. Ein Mitglied der kurdischen Regionalregierung sagte am Samstag, die Menschen flüchteten in andere kurdisch-kontrollierte Gebiete oder in Gegenden, die von der syrischen Regierung beherrscht würden.
TAUSENDE BEWOHNER OST-GHUTAS VERLASSEN REBELLENENKLAVE
Auch in der Rebellenenklave Ost-Ghuta nahe der Hauptstadt Damaskus flüchteten erneut Tausende Bewohner - hier vor Kämpfen zwischen Aufständischen und regierungstreuen Truppen. Am Sonntag seien es mehr als 20.000 gewesen, teilte das "Versöhnungszentrum" am Mittag mit, das vom russischen Verteidigungsministerium betrieben wird. Seit der Öffnung von Fluchtkorridoren hätten bislang mehr als 68.000 Menschen das Kampfgebiet verlassen.
Die syrische Armee hat nach eigenen Angaben rund 70 Prozent der Enklave erobert und das restliche Gebiet in drei nicht miteinander verbundene Teile gespalten. Die vorwiegend islamistischen Rebellen weigern sich bislang zu kapitulieren.