Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Die Inflation in der Eurozone kletterte im März auf den höchsten Stand seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Eine Kombination aus lockerer Fiskal- und Geldpolitik, Engpässen in der Lieferkette und steigenden Energiepreisen bildet einen für die Wirtschaft toxischen Cocktail.
Der Verbraucherpreisindex stieg im Jahresvergleich um 7,5 % (5,9 %), allein im März hatte er um 2,5 % zugelegt. Bei der Kernrate, die volatilere Komponenten wie etwa Kraftstoffe und Energie ausschließt, fiel der Anstieg mit 3,0 % noch deutlicher aus.
Ökonomen hatten erwartet, dass die Gesamtjahresrate nur auf 6,6 % steigen würde.
Die Zahlen wurden nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe einer ganzen Reihe von viel beachteten Konjunkturumfragen veröffentlicht, die im März eine drastische Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit zeigten, wenngleich sie nach wie vor auf ein Wirtschaftswachstum hindeuten. Der von S&P Global ermittelte Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in der Eurozone fiel auf 56,5 Punkte und damit auf den niedrigsten Stand seit über einem Jahr - und lag ebenfalls unter den Konsensprognosen. Es handelt sich dabei um die ersten Daten, die den Zeitraum seit der russischen Invasion in der Ukraine Ende Februar umfassen, die den schlimmsten bewaffneten Konflikt auf dem alten Kontinent seit 30 Jahren auslöste.
Die Daten werden den Druck auf die Europäische Zentralbank erhöhen, die Geldpolitik schneller zu straffen, als sie es derzeit beabsichtigt. Der Einlagensatz der EZB liegt noch immer bei -0,5 %. Eine Anhebung ist erst geplant, wenn sie ihr Anleihekaufprogramm beendet hat, was nach dem derzeitigen Fahrplan frühestens im Sommer der Fall sein wird.
"Es könnte zu einer beschleunigten Reduzierung des QE-Programms kommen, aber eine Zinsänderung der EZB erscheint vor Ende des dritten Quartals unwahrscheinlich", so Mark Dowding, Chief Investment Officer von BlueBay Asset Management, in einer Kundenmitteilung.
Er meinte außerdem, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Inflationsraten im Jahresvergleich noch viel weiter ansteigen würden, was vor allem auf Basiseffekte zurückzuführen sei. Zum Sommer hin "wird die Inflation voraussichtlich sinken", meinte er. "Wir könnten also gerade den Höhepunkt der Druckausübung auf die Zentralbanken erleben".
Der Euro reagierte auf die Zahlen verhältnismäßig gelassen und fiel um 0,1 % auf 1,1055 Dollar, während die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe um drei Basispunkte auf 0,58 % stieg, nachdem sie zu Beginn der Woche als Folge der Vorabdaten für Deutschland mit 0,72 % einen Vierjahreshöchststand erreicht hatte, ehe sie am Donnerstag drastisch fiel.
An den Märkten laufen derzeit Wetten darauf, dass die EZB dem Druck nachgibt und die Zinsen schneller anhebt und damit dem Beispiel der US-Notenbank folgt, die ihren Zeitplan für die Straffung der Geldpolitik in den letzten Monaten radikal beschleunigt hat. Laut den Zinsfutures könnte die EZB ihren Einlagensatz bis Ende 2023 auf 1,5 % anheben.
Anfang dieser Woche betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erneut, dass etwaige Zinserhöhungen schrittweise erfolgen würden und dass der Preisanstieg vermutlich nur vorübergehend sei, auch wenn er höher ausfallen und länger anhalten werde als zunächst erwartet. Die von Mitarbeitern der EZB erstellten Prognosen - die angesichts der aktuellen Preissteigerung zunehmend auf den Prüfstand gestellt werden - gehen nach wie vor davon aus, dass die Kerninflation in den Jahren 2023 und 2024 auf unter 2 % sinken wird.