Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Januar eingetrübt, womit sich die Rezessionssorgen verstärken. Wahrscheinlich wird auch im 1. Quartal 2024 vergeblich auf Wachstum gewartet. Darauf deutet heute das ifo-Geschäftsklima hin.
Das Stimmungsbarometer sank im Januar auf 85,2 Zähler, von 86,3 Punkten im Vormonat, wie das Münchner ifo-Institut zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Unternehmen mitteilte.
Es erreichte mit dem zweiten Rückgang in Folge den niedrigsten Wert seit Mai 2020, während Experten eigentlich mit einem leichten Anstieg auf 86,7 Punkte gerechnet hatten. Grund dafür ist, dass die Unternehmen sowohl ihre aktuelle Geschäftslage (-1,5 Punkte) als auch die Aussichten für die kommenden Monate (-0,8) erneut schlechter als zuletzt einschätzten, einzig mit Ausnahme der Industrie. Laut dem ifo-Institut wird dies voraussichtlich dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft im Auftaktquartal um 0,1 % oder 0,2 % schrumpft.
ifo-Geschäftsklima bestätigt Einkaufsmanagerdaten von S&P Global
Bereits vorgestern hatte ich geschrieben, dass Wirtschaftsdaten auf eine wieder etwas schwächere Entwicklung der deutschen Wirtschaft hinweisen und diese somit schlecht in das Jahr 2024 gestartet ist. Gemeint war damit der Einkaufsmanagerindex, der vorgestern von S&P Global veröffentlicht wurde. Der Frühindikator für die gesamte Privatwirtschaft – also Industrie und Service-Sektor zusammen – sank im Januar um 0,3 auf 47,1 Punkte.
Auch hier handelt es sich um den zweiten Rückgang in Folge, mit dem sich der Index weiter von der 50-Punkte-Schwelle entfernt hat, ab der Wachstum signalisiert wird. Und auch hier hatten Experten stattdessen einen leichten Anstieg (auf 47,8) vorhergesagt.
Zu den Dezember-Daten hatte ich geschrieben, dass die im August begonnene Aufwärtstendenz des Einkaufsmanagerindex noch intakt sei, man aber nicht von einem stabilen Trend sprechen könne (siehe „Die Rekordjagd findet nur begrenzt statt“). Das ist auch mit den Januar-Daten noch der Fall. Und diese Entwicklung steht weiterhin im Gegensatz zu der extrem starken Aufwärtsbewegung des DAX, die sich nach der Konsolidierung seit Mitte Dezember nun fortzusetzen scheint.
Bullisher Ausbruch beim DAX
Denn der deutsche Leitindex ist aus seinem kurzfristigen Abwärtstrendkanal nach oben ausgebrochen.
Aus charttechnischer Sicht war dieser bullishe Ausbruch zu erwarten. Denn die Kursentwicklung seit dem Hoch vom 14. Dezember sah aufgrund der flachen Abwärtstendenz und den Überschneidungen im Kursverlauf nach einer Konsolidierung im intakten Aufwärtsimpuls aus. Und das deutete bereits vor zwei Wochen darauf hin, dass die Aufwärtsbewegung fortgesetzt wird (siehe auch „Spiegeln die Kurse die Nachrichtenlage korrekt wider?“).
Da auch die Rechteckgrenze überwunden wurde, ist aus Sicht der Target-Trend-Methode die Mittellinie bei 17.205 Punkten wieder als Kursziel erreichbar. Auf dem Weg dorthin muss der DAX allerdings vor dem Hoch vom 14. Dezember auch noch das tiefere Hoch vom 2. Januar überwinden. Erst wenn beide Hürden überwunden sind, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dem Index der Anstieg über die Rechteckgrenze in diesem Anlauf nachhaltig geglückt ist – vorerst.
Lohnentwicklung erschwert den Kampf gegen die Inflation
Aus fundamentaler Sicht gibt es dagegen noch viele Zweifel. Denn nicht nur der Einkaufsmanagerindex notiert im Januar schon den 7. Monat in Folge im Kontraktionsbereich (der Index für das verarbeitende Gewerbe sogar schon den 19. Monat). Die Unternehmen meldeten zudem das 9. Minus beim Auftragseingang und einen wieder höheren Kostendruck – insbesondere im Dienstleistungsbereich, was auf höhere Lohnforderungen zurückzuführen ist. Und höhere Löhne bedeuten nicht nur höhere Kosten und damit niedrigere Gewinne, sondern sie können die Inflation wieder anheizen, wenn diese Kosten über die Verkaufspreise weitergegeben werden. Damit würden sie den Kampf der Notenbanken gegen die Teuerung erschweren.
EZB will weitere Daten abwarten
Daher verwundert es nicht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) gestern wie erwartet die Leitzinsen noch nicht gesenkt hat. Zugleich erklärt dies, dass die EZB auch noch keine Hinweise auf baldige Zinssenkungen gegeben hat. Stattdessen blieb alles unverändert.
Im Statement zu den gestrigen Beschlüssen war lediglich zu lesen, dass die aktuellen Daten weitgehend die bisherigen Einschätzungen des EZB-Rats zu den mittelfristigen Inflationsaussichten bestätigen – die Inflation also noch längere Zeit oberhalb des Ziels von 2 % bleiben wird. Auf weitergehende Erläuterungen, wie sie sich im Statement zum Zinsentscheid vom 14. Dezember fanden, wurde verzichtet.
Auf der Pressekonferenz erläuterte EZB-Chefin Christine Lagarde allerdings erneut, dass eine Diskussion über Zinssenkungen derzeit noch verfrüht sei und die Notenbank gerne noch weitere Daten – speziell auch zur Lohnentwicklung – abwarten wolle.
Fazit
Die Wirtschaftsdaten haben sich weiter eingetrübt. Das ist eigentlich kein Umfeld für steigende Kurse am Aktienmarkt. Zumal die EZB nicht mit Zinssenkungen helfen kann, weil die Inflationsaussichten aufgrund der Lohnentwicklung noch zu ungewiss sind. Das Ziel von 2 % ist nach wie vor nicht in greifbarer Nähe. Und selbst wenn sich die Daten im Februar in die richtige Richtung bewegen, wird die EZB wahrscheinlich im März noch nicht mit einer Zinssenkung auf eine Fortsetzung dieser Entwicklung setzen. Stattdessen deutete Christine Lagarde erste Schritte im Sommer an, also im Juni oder Juli.
Doch der Aktienmarkt ist derzeit nicht mehr an die Zinssenkungserwartungen gekoppelt. Wenn bislang Zinssenkungsspekulationen die Kurse nach oben getrieben haben, dann müsste die Rücknahme der Erwartungen eigentlich zu fallenden Notierungen führen. Doch das ist nicht der Fall. Der Aktienmarkt hat offenbar zu einem anderen Kurstreiber gewechselt – die Kurse steigen nun einfach weiter, weil sie eben derzeit steigen. Die Hausse nährt die Hausse.
Genießen Sie also die Party, so lange sie noch läuft! Zumal der DAX gerade die Nachricht sendet, dass die Party noch in eine neue Runde geht – der Pause also beendet und die Rally auf neue Hochs fortgesetzt wird. Aber seien Sie vorsichtig. Denn wenn plötzlich die ersten „Gäste“ gehen, folgen meist sehr schnell weitere. Und die letzten haben meist den größten Kater.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus