In der gestrigen Ausgabe der Stockstreet Marktberichte war bereits zu lesen, dass sich die Aktienmärkte derzeit tendenziell schwach entwickeln, weil mehrere Stimmen vor verfrühten Zinssenkungen gewarnt haben. Und dadurch wird mittlerweile deutlich, dass eine Zinswende weder in den USA noch in Europa unmittelbar bevorsteht.
Fed rechnet nur noch mit einem langsamen Rückgang der Inflation
Am Sonntag sagte zum Beispiel der Präsident der Atlanta Fed, Raphael Bostic, dass die Inflation „wippen“ könnte, wenn die Zinsen zu früh gesenkt werden. Und er warnte, dass sich der Abstieg der Inflation in Richtung des 2 %-Ziels der US-Notenbank in den kommenden Monaten wahrscheinlich verlangsamen wird.
Am Mittwoch zuvor hatte der Chef des Notenbankbezirks New York, John Williams, bereits geäußert, dass er es noch für zu früh hält, um Zinssenkungen zu fordern. Die Federal Reserve (Fed) habe noch einen weiten Weg vor sich, um die Inflation wieder auf ihr 2%-Ziel zu bringen. Er erwarte, dass die Fed noch einige Zeit einen restriktiven politischen Kurs beibehalten müsse, um ihre Ziele vollständig zu erreichen.
EZB: Der Inflationsausblick muss bei 2 % fest verankert sein
Sehr ähnliche Töne waren auch aus Richtung der Europäischen Zentralbank (EZB) zu hören. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sagte ebenfalls, es sei zu früh, um über Zinssenkungen zu diskutieren. Und der österreichische Zentralbankchef Robert Holzmann warnte sogar davor, noch in diesem Jahr mit einer Zinssenkung zu rechnen. Das sieht sein französischer Kollege allerdings etwas anders. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte: „Sofern es keine großen Überraschungen gibt – wir blicken in den Nahen Osten – wird unser nächster Schritt eine Senkung sein, wahrscheinlich dieses Jahr.“ Wichtig für eine Entscheidung, die Zinsen herabzusetzen, sind ihm zufolge die Inflationsaussichten. „Wir müssen den Inflationsausblick bei um die 2 % verankert haben“, so Villeroy. Und dies müsse fest und nachhaltig der Fall sein.
Inflationserwartungen der Verbraucher liegen noch deutlich oberhalb von 2 %
Allerdings rechnen die Verbraucher in der Euro-Zone einer EZB-Umfrage zufolge damit, dass die Inflation binnen 12 Monaten bei 3,2 % liegen wird, wie die Zentralbank gestern mitteilte. Bei der vorangegangenen Oktober-Umfrage lag der Wert noch bei 4,0 %, so dass die sich die Inflationserwartungen in die richtige Richtung bewegen. Bei 2 % „verankert“ haben sie sich aber noch längst nicht. Selbst binnen 3 Jahren erwarten die Verbraucher noch eine Inflation von 2,2 %, nach 2,5 % in der Oktober-Umfrage. Die Erwartungen liegen damit zwar auf dem niedrigsten Niveau seit Februar 2022, aber immer noch oberhalb des EZB-Ziels.
Erste Zinssenkung wahrscheinlich erst im Juni
Man kann daher davon ausgehen, dass die EZB erst eine Zinssenkung vornehmen wird, wenn sie über genügend Daten verfügt, die näher am 2%-Ziel liegen. Dazu gehören auch die Informationen zur Lohnentwicklung. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane zufolge liegen diese zur geldpolitischen Sitzung am 6. Juni vor. Die Währungshüter werden daher laut Lane bis Juni eine Entscheidungsgrundlage für mögliche Zinssenkungen haben. Frühere Zinssenkungen erscheinen somit aktuell wenig wahrscheinlich.
Zinssenkungsspekulationen lassen kaum nach
Geändert hat sich dadurch an den Finanzmärkten aber relativ wenig. Vor allem in den USA lassen die Zinssenkungsspekulationen kaum nach. Für März steht die Wahrscheinlichkeit für einen ersten Zinsschritt aktuell bei 63,3 %.
(Quelle: cmegroup.com)
Mitte Dezember waren es 67,6 % (siehe „Anleger bejubeln die Fed und ignorieren die EZB“). Die Beschwichtigungsversuche der Währungshüter haben also relativ wenig bewirkt, auch die von US-Notenbankdirektor Christopher Waller nicht, der gestern ebenfalls vor einem übereilten Handeln warnte.
Bezüglich der EZB wird dagegen mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 23 % auf eine erste Zinssenkung im März gesetzt. Für die darauffolgende Sitzung sind es zwar 93 %, die Märkte gehen allerdings mit einer Wahrscheinlichkeit von 62,6 % davon aus, dass die Fed auf ihrer folgenden Sitzung schon die zweite Zinssenkung vornehmen wird.
(Quelle: cmegroup.com)
Ausbruchsversuch des DAX gescheitert
Dennoch ist es dem DAX noch nicht gelungen, sich aus seinem kurzfristigen Abwärtstrendkanal zu befreien. Ein Ausbruchsversuch der Bullen scheiterte exakt an der Rechteckgrenze bei 16.850 Punkten (siehe roter Pfeil im folgenden Chart).
Wie gesagt: Geändert hat sich an den Finanzmärkten relativ wenig. Nach wie vor sehen die kurzfristigen Kursverläufe der Aktienindizes wie Pausen in der Rally aus. Und somit behalte ich die Aussagen aus der Analyse vom Mittwoch vergangener Woche ebenfalls unverändert bei (siehe „Spiegeln die Kurse die Nachrichtenlage korrekt wider?“). Man wird abwarten müssen, in welche Richtung die Kurse aus ihren aktuellen Konsolidierungen ausbrechen. Dann kann man Trades in Ausbruchsrichtung in Erwägung ziehen.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus