Abgesehen von einigen größeren Kursbewegungen bei Einzeltiteln, die durch Unternehmensmeldungen im Rahmen der Berichtssaison verursacht werden, herrscht derzeit gähnende Langeweile am Aktienmarkt. Daran dürfte auch die bevorstehende Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am kommenden Donnerstag nichts ändern.
EZB dürfte keine neuen Impulse liefern
Gewöhnlich fiebern die Märkte solchen Ereignissen entgegen.
Doch da die EZB auf der vorangegangenen Sitzung ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt hat, ist auf der aktuellen Sitzung mit keinen Neuigkeiten zu rechnen. Der Fokus wird daher wohl lediglich auf der Verabschiedung von Mario Draghi als EZB-Chef und der Übergabe des Staffelstabes an seine Nachfolgerin Christine Lagarde liegen. Draghi wird am Donnerstag zum letzten Mal den EZB-Rat leiten und Lagarde am 1. November seinen Chef-Posten übernehmen.
Neues Anleihekaufprogramm startet Anfang November
Es wird auch deshalb nicht mit neuen Eingriffen in den Geldmarkt gerechnet, weil noch nicht einmal alle jüngst beschlossenen Maßnahmen umgesetzt wurden. Das neu aufgelegte Anleihekaufprogramm startet zum Beispiel erst Anfang November. Dann sollen wieder monatlich Staatsanleihen im Volumen von insgesamt 20 Milliarden Euro gekauft werden.
EZB stößt an ihre selbstgesteckten Grenzen
Zukünftig könnten hier allerdings Änderungen notwendig werden. Denn Insidern zufolge kann die EZB bei dem aktuell festgelegten Kaufvolumen lediglich ein Jahr lang deutsche Staatsanleihen erwerben. Dann würden die Währungshüter an ihre selbstgesteckten Grenzen stoßen. Denn das Programm sieht Kaufobergrenzen von maximal 33 % der Staatsanleihen eines Landes vor. Dadurch soll verhindert werden, dass die Notenbank die Anleihenmärkte zu sehr dominiert und die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik verschwimmen. Um noch länger deutsche Staatstitel zu erwerben, müsste die EZB also ihre Regeln aufweichen oder ändern, was aus rechtlichen Gründen jedoch als heikel gilt.
ABC-Korrektur im Bund-Future?
Doch in einem Jahr kann viel passieren. Daher muss man derartige Probleme derzeit eigentlich lediglich im Hinterkopf behalten. Interessanter könnte zum aktuellen Zeitpunkt sein, was mit dem Bund-Future passiert, wenn am 1. November die Anleihenkäufe wieder aufgenommen werden. Denn aktuell befindet sich der Rentenmarkt in einer Korrektur. Der Bund-Future hat von seinem Hoch bei 176,86 Punkten im aktuell laufenden Dezember-Kontrakt in zwei Abwärtswellen mehr als 6 Zähler bzw. fast 3,5 % verloren. Diese Bewegung kann man aktuell als ABC-Korrektur werten (siehe blaue Buchstaben im Chart).
Sie folgt auf eine sehr steile Aufwärtsbewegung, die zu einer deutlich überkauften Situation im Bund-Future geführt hat. Die Korrektur ist damit eine Gegenbewegung, mit der die überkaufte Lage abgebaut wird. Mit den neuen Anleihekäufen der EZB wird die Nachfrage nach Anleihen wieder zunehmen. Ohne weitere Faktoren sollten die Kurse der Anleihen dadurch wieder steigen. Die Korrektur würde somit beendet und der Aufwärtstrend wieder aufgenommen. Das ist ein plausibles Szenario. Und dieses nimmt Form an, wenn das Hoch der Welle B überschritten wird.
Bund-Future ist charttechnisch noch deutlich überkauft
Grundsätzlich hat die ABC-Korrektur aber nicht ausgereicht, um den stark überkauften Zustand am Anleihemarkt im Allgemeinen bzw. im Bund-Future im Speziellen nachhaltig abzubauen. Dazu wäre eine zeitlich ausgeprägtere Konsolidierung oder ein stärkerer Rücksetzer erforderlich. Man muss also damit rechnen, dass die neuen Anleihenkäufe der EZB keinen neuen Aufwärtstrend einleiten, sondern die Kurse lediglich auf hohem Niveau gehalten werden und längere Zeit seitwärts konsolidieren.
Und wenn sich bei den größten Problemen der Wirtschaft, den Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Brexit und dem US-chinesischen Handelsstreit, Lösungen abzeichnen, wäre sogar eine Ausdehnung der Korrektur möglich.
Fazit
Mit Blick auf das jüngste Hick-Hack im Brexit-Verfahren seit dem neu ausgehandelten Abkommen, den derweil anhaltenden Unsicherheiten im Handelsstreit und der schwachen Entwicklung der Wirtschaft ist es aktuell kaum möglich, eine klare Richtung für den Bund-Future zu prognostizieren. Bleiben die Unsicherheit erhalten, werden sichere Anlagen wie Anleihen weiterhin gefragt sein. Andernfalls werden Anleger dazu neigen, ihre Anleihen auf den Markt zu werfen und damit das aktuelle Niveau des Bund-Futures trotz der neuen EZB-Käufe nicht haltbar sein.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus