In der Politik ist die Wahl des Zeitpunkts alles. Ähnliches könnte man von den Märkten sagen und derzeit ganz besonders von den Ölmärkten.
Die US-Ölpreise sprangen am Mittwoch um bis zu 3% in die Höhe, nachdem die US-Energieinformationsagentur die Märkte mit der Nachricht überrascht hatte, dass die Vorräte in der letzten Woche um fast 9 Mio Fass gefallen sind, während Analysten eine Zunahme um fast 3 Mio Fass vorhergesagt hatten.
Aber sogar vor dem EIA-Report waren die Preise aus einem anderen Grund gestiegen: Der Trotz der OPEC+ Allianz (DE:ALVG) aus 25 ölfördernden Staaten gegenüber US-Präsident Donald Trump, der am Montag auf Twitter die Staatengruppe aufgefordert hatte, es bei den Produktionssenkungen “gelassen anzugehen”, da diese, wie er sagte, die Ölpreise “zu hoch” treiben.
Khalid al-Falih, Energieminister Saudi-Arabiens, dem Anführer der OPEC, hatte am Mittwoch die perfekte trockene Antwort Trumps Ansinnen, als er dem Wirtschaftssender CNBC sagte:
"Wir sind sehr gelassen. Wir hören dem ehrenwerten Präsidenten zu und verstehen seine Sorgen über die Verbraucher und versichern allen, ihn und die Führer der Schwellenländer, dass wir genauso auf die Interessen der Wirtschaft und Verbraucher in der Welt fokussiert sind, wie auf die Interessen der Produzenten.”
Und zur Klarstellung fügte der saudische Minister dann noch an, dass die 25 Länder in der OPEC+ “einen sehr langsamen und maßvollen Ansatz” bei den Produktionssenkungen gewählt haben und ihr Interesse “an erster Stelle in der Stabilität des Marktes" liege.
US-Präsident mit Cohen-Anhörung, Nordkorea beschäftigt
Trump, am anderen Ende der Welt in Hanoi auf einem Gipfel mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un, twitterte keine Antwort auf Falih, aber feuerte einen zu Pjöngjang und seinen Hoffnungen für eine Denuklearisierung ab. Das Weiße Haus allerdings sagte am Donnerstag, dass der Gipfel abgebrochen sei und kein Abkommen unterzeichnet werden wird.
Der US-Präsident twitterte am Mittwoch auch noch zu etwas anderem, das ihn zutiefst verschnupfte: Die Anschuldigungen von seinem früheren Anwalt Michael Cohen, dass er während seiner Präsidentschaftskampagne über seine Geschäftsinteressen in Russland gelogen habe, über die die gestohlenen Emails der Demokraten, die seiner Rivalin Hilary Clinton schadeten und die illegalen Schweigegelder zur Vertuschung angeblicher sexueller Eskapaden.
Beschäftigt mit den Sorgen über Cohens Aussagen, Nordkorea und die Schwierigkeiten ein Handelsabkommen mit China hinzubekommen, dürfte Trump der OPEC und dem Ölmarkt nicht allzu viel Aufmerksamkeit momentan schenken.
Es wäre eine Situation analog der von Ende Dezember, als gefangen von einer unmittelbar bevorstehenden Schließung der US-Regierung, die letztlich über einen Monat andauerte, Trump plötzlich seine Kampagne für niedrige Ölpreise aufgab, die einen Preiseinbruch um 40% im vierten Quartal verursacht hatte.
Keine Öl-Tweets werden OPEC helfen, ihre Sichtweise durchzusetzen
Mit der Abwesenheit präsidentiellen Tweets zum Öl—zum Teil weil er schon die tiefen Preise bekommen hat, die er für die US-Zwischenwahlen im November wollte—hat die von den Saudis und den Russen geführte OPEC+ es geschafft, die Stimmung am Markt zu kontrollieren, was zu einem 35 prozentigen Preissprung seit dem Tief vom Heiligen Abend geführt hat.
Mit Trump wieder aus dem Markt wäre, so könnte man plausibel argumentieren, eine Erleichterung für Falih und andere OPEC-Vertreter, angesichts dessen, dass der Präsident es über Twitter jedes Mal geschafft hat, dem Markt die gute Stimmung zu verderben und sei es nur für einen Tag.
Unterdessen scheiden sich die Geister, wie hoch die Preise und die Nachfrage nach Öl in 2019 gehen könnten.
Der einflussreichste Energieprophet der Wall Street, Goldman Sachs, sagte letzte Woche, dass Rohöl in den kommenden Monaten einen Gipfel zwischen 70 und 75 USD das Fass erreichen könnte und in der zweiten Jahreshälfte zurück auf 60 USD absacken könnte, zum Teil wegen der unaufhörlichen Steigerungen der US-Ölförderung, die schon jetzt auf einem Weltrekord von 12 Mio Fass am Tag (barrels per day, bpd) liegt und vor Ende 2020 13 Mio bpd erreichen könnte.
Trumps Optionen gegenüber saudischer Entschlossenheit
Es wird auch diskutiert, was der US-Präsident oder Kongressmitglieder an seiner Stelle machen können, um die Ölpreise tiefer zu bekommen.
Eine Möglichkeit wäre die Anwendung des No Oil Producing and Exporting Cartels Act (NOPEC), der am 7. Februar von einem Ausschuss des Kongresses die Zustimmung erhalten hat. Mit ihm könnten kartellrechtliche Verfahren und Sanktionen gegen jedes Land angestrengt werden, dass an Angebotsbeschränkungen wie die der OPEC beteiligt ist.
Trump könnte auch versuchen, den physischen Ölmarkt aus der staatlichen strategischen Ölreserve der USA zu überfluten die alles in Allem rund 730 Mio Fass umfasst.
Aber mit den Saudis entschlossen wenn notwendig ihre eigene Förderung genauso stark zu senken, um den Preis zurück über 80 USD das Fass zu bekommen, ein Niveau auf dem der globale Benchmark Brent zuletzt im Oktober gelegen hat, denken Analysten, dass Trump es diesmal weitaus schwerer haben wird.
Falih sagte am Mittwoch, dass seine Analyse zeige, dass die OPEC+ ihre Förderbeschränkungen vielleicht bis zum Jahresende hin verlängern werden muss, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Allianz will wieder im April zusammentreten, um ihr weiteres Vorgehen zu entscheiden.
Der saudische Energieminister wörtlich:
"Die gegenwärtigen Niveaus sind nicht in Stein gemeißelt, das ist lediglich der beste Kompromiss den wir damals im Dezember erreichen konnten.”
"So, wenn wir im Juni feststellen, dass wir ein anderes Limit brauchen, ein anderes Reduktionsziel als die 1,2 Mio Fass, dann sind wir bestimmt offen dafür. Aber der einfachste Weg nach vorn ist, angenommen es besteht immer noch ein Überangebot, so weiterzumachen."
Mit einem solchen Marktfundament, könnten Trumps Worte oder Aktionen diesmal weitaus weniger bewirken, argumentiert Dominick Chirichella, orstand für Risikomanagement und Handel beim Energy Manufacturing Institute aus New York und seit 40 Jahren in den Energiemärkten.
Chirichella:
“Es wird mehr als ein paar Twitterstürme von Präsident Trump brauchen, um den Aufwärtstrend der Ölpreise zum Entgleisen zu bringen, der seit Ende Dezember besteht.”