Die Liebesaffäre der Ölbären mit US-Schieferöl hat sich zur Zeit etwas abgekühlt.
Nach fast fünf Jahren, in denen sie den Shortsellern das Leben leicht machten, die von billigem Öl profitieren, sind die US-Ölunternehmen aufgewacht und wollen nicht mehr wie zuvor überproduzieren.
Die Anzahl der in den USA aktiven Bohrplattformen fällt von Woche zu Woche weiter und die Produktionsschätzungen von Analysten in Regierungsagenturen bis hin zur Wall Street und den Medien zeigen, dass neue Produktionsrekorde nicht mehr so einfach purzeln könnten wie zuvor.
Das passiert gerade zu einer Zeit, in der die Bären sich ohnehin schon überwältigt fühlen, von einem Cocktail aus bullischen Faktoren im Ölmarkt, einschließlich der unablässigen Produktionssenkungen der OPEC, rigiden Sanktionen der Trump-Administration gegen venezolanisches und iranisches Öl, sowie eine extrem lockere Geldpolitik in den USA, abgesichert von einer Federal Reserve, die Zinserhöhungen abgeschworen hat.
Ein Supergau für Ölbären
Man nehme hinzu, dass die chinesische Konjunktur sich stärker als erwartet erholt und damit auch die Ölnachfrage in diesem Jahr, und das Ergebnis ist ein Supergau für Händler und Fonds, die auf der falschen Seite des Marktes erwischt wurden.
Das in New York gehandelte Öl der Sorte West Texas Intermediate, der Benchmark für den US-Ölmarkt, ist in diesem Jahr um 36% teurer geworden, während sein Kollege in London Brent, die Messlatte für den globalen Ölmarkt, 29% hinzugewonnen hat. Beide bewegen sich auf Fünfmonatshochs, mit Brent nur knapp unter dem Zielwert der Nummer eins in der OPEC, Saudi-Arabien, von 70 USD das Fass—was wie das Königreich hofft, seine neue Zielmarke von 80 USD und darüber möglich machen wird.
John Kilduff, Gründungspartner vom New Yorker Energiehedgefonds Again Capital, gab zu, dass es keinen Grund für die Schieferölindustrie gibt, mit den Ölbären zusammenzuarbeiten—wenn es weitaus mehr wirtschaftlichen Sinn ergibt, sich den Wünschen der Preisfalken in der OPEC anzupassen.
Und doch glaubt er, dass die engen Kontrollen, die von den US-Ölfirmen jetzt angewendet werden—zum Beispiel die Priorisierung von Cashflow und Dividendenausschüttungen über spontane Produktionserhöhungen, die zu den Preiseinbrüchen von 2014-2016 und 2018 beitrugen—nur ein Zeichen der Zeit sind.
Schieferölfirmen unter Druck von Investoren und Banken, Geld zu verdienen
Kilduff wörtlich:
“Die Schieferölleute werden von ihren Investoren und Banken dahin gedrückt, Kapitaleinkommen zu generieren.”
“Es ist eher wie eine verzögerte Reaktion von ihrer Seite auf den Preiskollaps Ende letzten Jahres. Sie haben eine Wagenburg gebaut und sich neu aufgestellt, als sie begriffen, dass es nicht in ihrem Interesse ist, unnötig Kapazitäten aufzubauen. Dummerweise werden es die Ölbären sein, die am meisten unter dieser Entscheidung zu leiden haben werden.”
Das Auf und Ab am Ölmarkt hat sich in den letzten fünf Jahren für Long- und Shortspekulanten gelohnt, auch wenn man argumentieren kann, dass die Bären mehr profitierten, angesichts der Häufigkeit und Intensität von Ausverkäufen.
Der Trend könnte sich jetzt verschieben.
Reuters Ölkommentator John Kemp merkte am Montag an, dass Hedgefonds ihre bullischen Positionen in sechs Hauptkontrakten auf Rohöl ausgebaut haben, um insgesamt 421 Mio Fass über die letzten 11 Wochen.
Weiteres Unheil für die Bären in Sicht?
Kemp weiter:
“Die Aussichten auf ein rasch langsamer werdendes Produktionswachstum und eine robuste Nachfrage haben die bärische Haltung am Markt beseitigt.”
Scott Shelton, Broker von Energiefutures bei ICAP) aus Durham in North Carolina, denkt ebenfalls, dass den Ölbären in nächster Zeit weiteres Ungemach ins Haus steht, als bullische Terminhandelsberater (Commodity Trading Advisors oder CTAs) Positionen auf der Gegenseite eingehen.
Shelton wörtlich:
"Ich denke diese Woche könnte eine gute für Öl werden, da es physische Nachfrage gibt und auch einige Nachfrage aus der Indexwelt auf der Jagd nach Rollgewinnen kommen könnte.”
"Wir könnten auch weitere CTA-Käufe sehen, da diese viel Kapital auf der hohen Kante haben.”
Bloomberg meinte in einem Report, dass der dramatische Anstieg der US-Schieferölförderung in den vergangenen fünf Jahren in eine Kombination aus technischen und finanziellen Schwierigkeiten läuft.
Schlumberger (NYSE:SLB) und Halliburton (NYSE:HAL), zwei der größten Anbieter von Ölbohrdienstleistungen rechnen für dieses Jahr mit einem zweistelligen Rückgang der Ausgaben für Bohrungen in den USA und Kanada. Entlassungen werden ebenfalls ums sich greifen, als z.B. Devon Energy (NYSE:DVN) seine Belegschaft um ein Drittel reduzieren will, wegen des Drucks auf die Ausgaben.
Auf der technischen Seite gibt es Probleme durch “Interferenz” zwischen neuer Ölquellen—"Ablegerbohrungen"—und der "Hauptbohrung". Zu nahe, und die Ableger können sich als weniger ertragreich als ihre Hauptbohrungen erweisen. Sind sie aber zu weit von diesen entfernt und dann bleibt Öl im Boden.
Allerdings, während die unabhängigen Ölsucher konservativer werden, geht bei den Ölmajors die Begeisterung über Schieferöl erst so richtig los. Exxon Mobil (NYSE:XOM) und Chevron (NYSE:CVX) zum Beispiel, haben sich jeder zum Ziel gesetzt, rund eine Million Fass am Tag im permischen Becken zu fördern, der produktivsten Schieferölregion.
Neue Pipelines könnten die Bären wieder ins Schieferöl vertrauen lassen
Es gibt gute Chancen, dass die US-Rohölförderung in diesem Jahr wieder zurückkommen wird, wenn neue Pipeline-Kapazitäten an den Markt kommen werden, die bis zu fünf Millionen Fass Öl am Tag aus den Schieferölbecken abtransportieren können, sodass es irgendwann einmal nach Asien und den Rest der Welt exportiert werden kann. Die US-Rohölexporte erreichten im letzten Monat einen Rekordwert von durchschnittlich 3,6 Mio Fass am Tag. Diese weiter zu steigern wird kritisch sein, um bis nächstes Jahr tatsächlich die staatlichen Prognosen einer Rekordproduktion 13 Mio Fass am Tag bis nächstes Jahr zu erreichen.
Kilduff glaubt, dass die US-Ölfirmen dann auch mehr geneigt sein werden, die Ölhähne aufzudrehen.
Er sagt:
“Die Abhängigkeit der Ölbären vom Schieferöl, damit dieses die Preise unter Druck setzt, ist bei weitem nicht vorbei. Sie hat sich nur verzögert. Mit dem vollen Exportpotential für die US-Ölproduktion, werden sich die Firmen eher auf das Volumen als den Preis konzentrieren. Letztlich werden sie eine V-förmige Erholung der Produktion und der Anzahl der Bohrplattformen sehen.”
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