- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Als Angela Merkel beim Bürgerdialog in Schwedt die besorgte Frage nach zusätzlichen Klimalasten für Bürger bekam, war sie sehr deutlich: "Über eine CO2-Steuer spreche ich überhaupt nicht, schon gar nicht, um sie auf die Mineralölsteuer draufzuschlagen", beruhigte die Kanzlerin vergangene Woche den Frager.
Und sie gab damit die Linie wieder, die zuvor auch in den CDU-Gremien besprochen und von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer festgezurrt worden war: Zwar will auch die Union die Klimaschutzziele über eine "Bepreisung" des Treibhaus-Gases Kohlendioxid erreichen. Aber in die Debatte über eine CO2-Steuer will die CDU nicht einsteigen - zumindest vorerst nicht.
Gründe dafür sind nach Angaben aus Unionskreisen strategische und innerparteiliche. Denn am 26. Mai steht die Europawahl an. Und Kramp-Karrenbauer hat in den vergangenen Tagen mehrmals davor gewarnt, dass die Gelbwesten-Proteste in Frankreich nach Deutschland überschwappen könnten. Schließlich war auch dort der Auslöser eine Erhöhung der Benzinsteuer, die vor allem Pendler empörte. Proteste gibt es schon, etwa in Stuttgart, die durch Fahrverbote für ältere Diesel ausgelöst wurden. Wohin es führe, wenn man nicht darauf achte, welche Maßnahmen von der Bevölkerung akzeptiert würden, "das kann man mit Blick auf das ein oder andere europäische Nachbarland sehen", warnte Kramp-Karrenbauer deshalb am Montag in Anspielung auf Frankreich.
Denn laut ARD-Deutschlandtrend sind nur 34 Prozent der Deutschen für einen Aufschlag auf Sprit und Heizöl, 62 Prozent dagegen. "Steuererhöhungen sind immer ein emotionales Thema, erzeugen oft Ablehnung bei Wählern", sagt Politologe Gero Neugebauer. Zudem hatten gerade CDU und CSU Steuererhöhungen ausgeschlossen und fürchten, sich den Vorwurf des Wortbruchs einzuhandeln. Aufschläge auf Mineralöl, Diesel, Gas oder Heizöl, so warnen CSU und Kramp-Karrenbauer übereinstimmend, könnten zudem vor allem "kleine Leute" treffen. Und das in Speckgürteln um Städte oder in ländlichen Gebiete, in denen das Wählerpotenzial der Union besonders stark ist. "Das Thema CO2-Bepreisung jetzt hochzuziehen, schadet sowohl Union als auch der SPD", sagt auch Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Laut Deutschlandtrend findet sich nur bei Grünen-Anhängern (60 Prozent) mehrheitlich Zustimmung für eine CO2-Steuer.
Dazu kommt der europaweite Trend, dass Rechtspopulisten gerade den Klimaschutz als neues Mobilisierungthema für sich erkannt haben. Ein entsprechender Anti-Umweltschutz-Kurs findet sich etwa in Finnland, Belgien und den Niederlanden. Auch die AfD in Deutschland plakatiert im Europawahlkampf "Brüssel, es reicht. Diesel muss bleiben." "Diese geplante CO2-Steuer ist nichts anderes als ein Deckmäntelchen, um Bürger noch mehr abzuzocken", kritisiert auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard. Das zieht bei AfD-Wählern, von denen nur elf Prozent für eine CO2-Steuer sind.
VERWEIS AUF EUROPÄISCHE DIMENSION
Dazu kommt aber auch die innerparteiliche Diskussion in der CDU: Ministerpräsidenten wie Armin Laschet oder Daniel Günther sind zwar offen für ein Nachdenken über eine CO2-Steuer. Aber im CDU-Bundesvorstand hielt etwa der Chef der Mittelstandsvereinigung (MIT), Carsten Linnemann, dagegen. Die MIT will zwar auch eine CO2-Bepreisung, damit Deutschland seine Klimaschutzziele 2030 überhaupt erreichen kann. Aber sie pocht auf den Weg über den Zertifikatehandel und möglichst das europäische Emissionshandelsystem, in das Bereiche wie Verkehr oder Bau einbezogen werden sollen.
Kramp-Karrenbauer will nun aus der Not eine Tugend machen - und im Wahlkampf herausstellen, dass CDU und CSU anders als die Konkurrenz beim Klimaschutz auf "marktwirtschaftliche Instrumente" wie den Emissionshandel, steuerliche Anreize etwa für die energetische Gebäudesanierung oder neue technologische Lösungen setzt. Zudem wirft die CDU-Chefin ihren Kritikern mangelnde Europabegeisterung vor. "Das wundert mich schon, wie schnell wir auf nationale Lösungen gehen", kritisierte sie die nur auf Deutschland zielende CO2-Steuer-Debatte. "Wenn es ein Thema gibt, das global und europäisch angegangen werden muss, ist es aber der Kampf gegen Klimawandel."
Ob sich die Debatte in der Union und damit der Koalition nach der Europawahl am 26. Mai dreht, bleibt abzuwarten. Am 2. Juni trifft sich der CDU-Bundesvorstand zur Klausurtagung. Bis dahin könnten die internen Prüfungen abgeschlossen sein, ob eine Ausweitung des Emissionshandels oder Zertifikatesystems wirklich rasch machbar wäre oder ob man nicht doch eine Besteuerung prüfen muss, um mehr Druck auf die Reduzierung der Treibhaus-Emissionen zu machen. Dennoch gilt eine Rückkehr zum CO2-Steuer-Konzept in der CDU als schwierig: Im Herbst stehen Landtagswahlen in drei östlichen Bundesländern an - in denen die AfD das Thema erneut hochziehen dürfte.