Die Europäische Kommission müsse "so schnell wie möglich" Maßnahmen ergreifen. Der Grund: Der Automobilbranche drohen hohe Geldstrafen, wenn die Frist für die Senkung der durchschnittlichen Emissionen von Pkw und Transportern abläuft. Das bekräftigte heute die Europäische Volkspartei (EVP), die größte Fraktion um EU-Parlament, zu der auch CDU und CSU gehören.
Die 2019 vereinbarten strengeren CO2-Emissionsnormen treten kommendes Jahr in Kraft. Indes machen die Autohersteller den schleppenden Absatz von Elektrofahrzeugen dafür verantwortlich, dass sie die Grenzwerte nicht einhalten können, wenn diese von 115,1 Gramm pro Kilometer auf 93,6 Gramm heruntergesetzt werden.
Die EVP argumentiert, dass sich der Markt für Elektroautos "nicht wie erwartet entwickelt" und wiederholt die Warnungen der Autohersteller, dass eine ohnehin kämpfende Industrie nun mit der Aussicht auf Milliarden Euro an Bußgeldern konfrontiert werde.
Bislang hat die Europäische Kommission an ihrer Position festgehalten, laut der die Autohersteller bereits Jahre Zeit hatten, sich auf die neuen Grenzwerte ab 2025 vorzubereiten. Anstatt das gesamte System komplett abzulehnen, ist der Antrag der EVP nuancierter. Die Einhaltung der Vorschriften könnte auf einem Drei-Jahres-Durchschnitt und nicht auf dem Ausstoß eines einzelnen Jahres basieren.
Ein Paket "vorübergehender Erleichterungen" könnte es demnach den Herstellern ermöglichen, einen Teil ihrer Verkäufe quasi zu speichern, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu berücksichtigen, wenn der Absatz von Elektrofahrzeugen gestiegen ist.
Das würde beispielsweise bedeuten, dass die Autohersteller die Produktion kleinerer, erschwinglicherer E-Autos hochfahren könnten.
Ende des Verbrennungsmotors
Die größte Fraktion im Europäischen Parlament fordert auch eine "Korrektur" des Abgasgrenzwerts für 2035, der de facto auf ein Verkaufsverbot für neue Benzin- und Dieselmodelle hinausläuft.
"Die Europäische Kommission muss dringend eine Überarbeitung [der Verordnung] vorlegen, die den technologieneutralen Ansatz wieder einführt und die Rolle aller Technologien bei der Erreichung von CO2-Reduzierungen anerkennt", heißt es in dem sechsseitigen Positionspapier der EVP.
In einem Gespräch mit Journalisten in Brüssel räumte der deutsche Abgeordnete Jens Gieseke ein, dass die Frage des Verbrennungsmotors (ICE) "sehr umstritten" sei, doch die Position seiner Fraktion sei klar.
"Wir wollen alternative Kraftstoffe, E-Fuels, Biokraftstoffe, erneuerbare synthetische Kraftstoffe, und dies sollte mit einem Kohlenstoffkorrekturfaktor einhergehen", sagte er und bezog sich dabei auf eine Zahl, die auf solche Kraftstoffe angewandt werden würde, um ihre Lebenszyklus-CO2-Emissionen mit denen von fossilen Kraftstoffen zu vergleichen.
Kritiker weisen darauf hin, dass es für E-Kraftstoffe physikalisch unmöglich ist, mit der direkten Elektrifizierung in Bezug auf die Effizienz zu konkurrieren, während flüssige Alternativen zu Benzin und Diesel wie Biokraftstoffe und synthetische Kohlenwasserstoffe viele der mit fossilen Kraftstoffen verbundenen Umweltprobleme mit sich bringen.
Globaler Wettbewerb
Gieseke wich einer Frage aus, warum die europäische Automobilindustrie so weit hinter US-amerikanische und chinesische Unternehmen zurückgefallen ist, als es darum ging, den wachsenden Weltmarkt für Elektrofahrzeuge zu erobern - obwohl sie in der Vergangenheit auch öffentliche Unterstützung erhalten hatte.
"Es gibt Millionen von Menschen, die in diesem Sektor arbeiten", sagte Gieseke und fügte hinzu, dass es bei der Forderung der EVP nicht um Subventionen oder die Erfindung neuer Anreizsysteme gehe, sondern darum, "zumindest einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem diese Industrie überleben kann".
Vanessa Butani, Leiterin der Abteilung für globale Nachhaltigkeit bei Volvo Cars (ST:VOLCARb), stellte in einem Pressegespräch die Logik solcher Technologien in Frage, wenn die Elektrifizierung bereits weit fortgeschritten ist.
Autoindustrie in Europa steht auf dem Spiel
"Für Pkw wissen wir, dass die direkte Elektrifizierung die effizienteste Lösung ist", sagte Butani. "Kohlenstoffneutrale Kraftstoffe reduzieren nicht wirklich die Auspuffemissionen und die damit verbundenen Schadstoffemissionen", fügte sie hinzu.
"Europa muss relevant bleiben, und um das zu erreichen, müssen wir schnell sein - wir können nicht einfach weiter auf der Stelle treten, denn das wird die Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit nur vergrößern", so Butani.
Der Europäische Verband der Automobilhersteller (ACEA), aus dem sich Volvo (ST:VOLVb) Cars 2022 zurückgezogen hatte, forderte am Dienstag (10. Dezember) einen "vereinfachten Rechtsrahmen".
Die EU-Exekutive wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres ein Paket für eine saubere Industrie vorlegen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat indes persönlich die Leitung eines neuen strategischen Dialogs über die Zukunft der Automobilindustrie in Europa übernommen.