LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Die Übernahmewelle in der Pharmaindustrie erfasst Deutschland: Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer (ETR:BAYN) will das Geschäft mit rezeptfreien Mitteln des US-Konzerns Merck & Co NYS:MRK (FSE:MCC) kaufen. Der Preis liege bei 14,2 Milliarden US-Dollar (10,4 Mrd. Euro) in bar, teilte der Konzern am Dienstag mit. Damit steigen die Leverkusener zur Nummer zwei in diesem Markt auf. Zudem geht Bayer eine strategische Kooperation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dem US-Konzern ein. Dafür soll Bayer von Merck & Co bis zu 2,1 Milliarden Dollar erhalten. Mit einem Abschluss rechnet Bayer im zweiten Halbjahr 2014, wenn die Kartellbehörden den Kauf freigeben.
"Diese Akquisition ist ein bedeutender Meilenstein auf unserem Weg zur angestrebten globalen Marktführerschaft im attraktiven Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln", erklärte Bayer-Chef Marijn Dekkers. Darüber hinaus stärke die Kooperation die Entwicklungsmöglichkeiten bei Herz-Kreislauf-Therapien.
BAYER STEIGT ZUR NUMMER ZWEI AM MARKT AUF
Bereits seit Tagen war über eine entsprechende Transaktion spekuliert worden. Entsprechend verhalten war die Reaktion am Markt. Die Aktie legte zuletzt um 0,60 Prozent zu. Neben dem Bayer-Klassiker, dem Schmerzmittel Aspirin, kommen mit dem Zukauf auch Fußpflegeprodukte, Sonnencremes und Allergiemittel ins Programm. "Wir stärken Umfang und Ertragskraft unseres Consumer-Care-Geschäfts, das schon jetzt hohe Margen und stabile Cashflows erzielt, ganz erheblich", erklärte Dekkers. Er setzt dabei auch auf die geballte Vertriebskraft des Konzerns.
Rezeptfreie Mittel sind derzeit in der Gesundheitsbranche begehrt. Sie gelten als wichtiger Stabilisator mit geringeren Risiken im Vergleich zum klassischen Pharmageschäft. Für Bayer ist es der größte Zukauf seit der Übernahme des Pharmakonzerns Schering 2006 für 17 Milliarden Euro. Bayer will den Erwerb mit einem Brückenkredit zwischenfinanzieren. Der Zukauf solle bereits im ersten Jahr nach Vollzug einen positiven Beitrag zum bereinigten Konzernergebnis leisten. Bayer rechnet zudem mit signifikanten Steuereinsparungen. Auch in Marketing und Herstellung etwa dürften die Kosten ab 2017 insgesamt um rund 200 Millionen Dollar pro Jahr sinken.
GEWALTIGE ÜBERNAHMEWELLE
Rund um den Globus rollt derzeit eine gewaltige Übernahmewelle durch die Pharmaindustrie. Der US-Pharmagigant Pfizer FSE:PFE (NYS:PFE) will für 106 Milliarden Dollar den britischen Rivalen AstraZeneca (ISE:AZN) (FSE:ZEG) (SSE:AZN) kaufen, stößt damit aber auf wenig Gegenliebe. Der Botox-Hersteller Allergan NYS:AGN wehrt sich gegen die 50-Milliarden-Dollar-Offerte von Valeant NYS:VRX. Der kanadische Konzern will die US-Firma zusammen mit dem bekannten US-Investor Bill Ackman schlucken. Es ist ein Milliardenpoker um die Zukunft in einer Branche, die vor enormen Herausforderungen steht.
Denn die Pharmakonzerne sehen sich gleich von mehreren Seiten unter Druck. Die Sparbemühungen vieler Staaten im Gesundheitswesen - etwa in den USA oder Europa - drücken auf die Gewinne. Gleichzeitig macht den Konzernen der Ablauf von Patenten für wichtige Produkte zu schaffen. Manch langjähriger Kassenschlager verliert so praktisch über Nacht stark an Umsatz und Ertragskraft. Außerdem erweist sich die Entwicklung neuer Medikamente als immer schwieriger. Die Konzerne müssen Milliarden in ihre Forschungen investieren. Geld, das sich zuweilen in Luft auflöst, wenn die Neuentwicklungen die Erwartungen nicht erfüllen.tb