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Börse Frankfurt-News: "Generationenkapital - ein kleiner Schritt in die richtige R

Veröffentlicht am 20.02.2023, 11:57
© Reuters.
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FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Frank bewertet das vorliegende Konzept der kapitalmarktorientierten Altersvorsorge.

20. Februar 2023. FRANKFURT (pfp Advisory). Jahrzehntelang haben Politiker fast aller Parteien geschlafen oder blockiert. Doch jetzt scheint die Ampelkoalition das deutsche Rentensystem tatsächlich ein kleines Stück in Richtung Kapitaldeckung umbauen zu wollen. Geht es nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung, sollen in einem ersten Schritt 10 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in eine Aktienrücklage zur Kofinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung fließen. Stellen sich die Grünen nicht quer, könnte dieses "Generationenkapital" in den folgenden 15 Jahren auf rund 150 Milliarden Euro anwachsen. Ungefähr ab dem Jahr 2035 sollen dessen Erträge helfen, die gesetzlichen (umlagefinanzierten) Renten zu stützen.Was ist von diesem Konzept zu halten? Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Einerseits empfinde ich das Vorhaben zumindest als einen Schritt in die richtige Richtung, andererseits weist es aber leider doch einige Mängel auf.

Der Reihe nach: Gut ist, dass mit dem Thema nach Jahrzehnten endlich begonnen wird. Ebenfalls positiv werte ich, dass die Anlageklasse Aktien dabei eine hervorgehobene Rolle einnehmen soll. Wie sinnvoll es ist, auf Aktien zu setzen, gerade wenn es um lange Zeiträume wie beim Ansammeln von Rentenbeiträgen geht, habe ich in den vergangenen 20 Jahren Dutzende Male vorgerechnet, auch an dieser Stelle in vorangegangenen Kolumnen. Meiner Überzeugung nach ist die aktienbasierte Altersvorsorge seit jeher der Königsweg. Nicht ohne Grund setzen andere europäische Rentensysteme längst erfolgreich auf Aktien, z. B. die in Schweden, Norwegen, Großbritannien oder den Niederlanden. Die Panikmache mancher Politiker oder Interessenverbände, Aktien seien "unsicher" oder der Staat würde künftig gar mit dem Geld seiner Bürger "zocken", sind lächerlich und stehen im Widerspruch zu gesicherten Fakten, z. B. wie hoch langfristig die historischen Renditen am Aktienmarkt ausfallen und wie unwahrscheinlich ein Verlust in einem 15-Jahres-Fenster war. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Schnappatmung mancher Akteure Unkenntnis geschuldet ist oder Kalkül. Vermutlich ist es eine Mischung aus beidem.

Ein weiterer Vorteil: Die Aktienrente könnte helfen, die Scheu vieler Bürgerinnen und Bürger vor Aktien abzubauen. Das wiederum könnte die Altersversorgung durch zusätzliche rentable Eigeninvestments stabilisieren. Hilfreich wäre das in jedem Fall, ist doch der Beitrag des neuen Generationenkapitals im Verhältnis zu den Erfordernissen viel zu klein - und damit bin ich schon bei den Nachteilen des Konzepts. 10 Milliarden Euro werden die Steigerung der Beiträge allenfalls ein bisschen abmildern, mehr aber auch nicht. 150 Milliarden Euro, also die momentan geplante Zwischenstufe bis etwa 2035, dürften übrigens ebenfalls nicht reichen. Diversen Schätzungen zufolge müsste es mindestens die doppelte Summe sein, und das von Anfang an. Aber wie gesagt: Besser mit etwas zu Kleinem anfangen, als gar nichts zu tun. Letzteres gilt übrigens analog für das Argument, die Aktienrente käme zu spät, um die Wucht der "doppelten Alterung" noch abzufangen, die die gesetzliche Rentenversicherung in den kommenden 15 Jahren unter Druck setzen dürfte, und die dadurch entstehen wird, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen werden. Das ist zwar richtig, die Phase des Vertrödelns kann niemand zurückdrehen. Doch auch hier gilt: Besser spät mit etwas Sinnvollem beginnen als gar nicht.

Als zweiten Nachteil erachte ich die unzureichenden Brandmauern. Das Geld der Bürgerinnen und Bürger sollte effektiv und unzweideutig vor dem Zugriff der Politik geschützt sein. Ansonsten ist die Gefahr zu groß, dass die angesammelten Gelder zweckentfremdet werden. Erfahrungsgemäß ist die Politik erfinderisch, wenn es gilt, Haushaltslöcher zu stopfen oder Wahlgeschenke zu verteilen. Der Solidaritätszuschlag finanziert schon lange nicht mehr nur den Aufbau Ost. Und die kaiserliche Kriegsflotte dümpelt längst auf dem Meeresgrund, während wir die 1902 zu deren Finanzierung eingeführte Schaumweinsteuer auch 121 Jahre später immer noch zahlen. Die ideale Brandmauer wäre ein persönliches "Renten-Depot" für jeden Bürger, wie es die Schweden aufgesetzt haben.

Drittens sehe ich die Finanzierung kritisch. Selbstverständlich lassen sich Gründe anführen, warum ein staatlicher Akteur Aktien auf Kredit kaufen kann, gerade auch mit Blick auf die immer noch recht niedrigen Zinsen. Gleichwohl werte ich auch hier das Problem der Vorbildwirkung höher: Seit Jahren wird von Experten (zu denen zähle ich mich jetzt einfach einmal) "gepredigt", dass Aktienkäufe auf Pump problematisch sein können. Wenn der Staat hier mit schlechtem Beispiel vorangeht, finde ich das nicht ideal. Viele Bürger könnte das zumindest verwirren.

Mein Fazit zum "Generationenkapital": ein kleiner Schritt in die richtige Richtung und besser als nichts, aber letztlich eben doch auch leider eine vergebene Chance. Ich hätte mir ein Konzept gewünscht, das näher bei den ursprünglichen Ideen der FDP geblieben wäre (und: nein, ich bin nicht Mitglied der FDP). Positiv formuliert: Da ist noch viel Luft nach oben. Vielleicht ist in einigen Jahren mehr möglich, nachdem Bürger und Politiker erkannt haben, dass Aktien eben doch kein Teufelszeug sind, sondern ein nützliches Instrument, um eine sichere Rentenversorgung aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

von Christoph Frank, 20. Februar 2023, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS (ETR:DWSG) Concept Platow (), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.

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