Das Weltraumteleskop James Webb liefert seit Sommer letzten Jahres die bislang tiefsten und detailreichsten Einblicke in den Weltraum. Und die Mission des nächsten großen Teleskops ist schon in vollem Gange.
"Neues Zeitalter der Astronomie"
Das Nancy Grace Roman Space Telescope soll schon in wenigen Jahren ins All starten und ähnlich wie das Hubble-Teleskop funktionieren, das 1990 gestartet war. Benannt wurde es nach der früheren US-Astronomin und ersten NASA-Verantwortlichen für Astronomie Nancy Grace Roman, die als eine der wichtigsten Entwicklerinnen als Mutter des Hubble-Teleskops gilt.
Der Start von Nancy Grace Roman wird "ein neues Zeitalter für die Astronomie" einläuten, sagte einer der Wissenschaftler der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) im Interview mit Euronews Next. Es wird mehr Daten sammeln als jede andere zuvor gestartete NASA-Mission und versuchen, einige der größten Fragen der Astrophysik zu beantworten.
Das Teleskop soll spätestens 2027 ins All geschickt werden und "einen besseren Überblick über das Universum und mehr statistische Untersuchungen" ermöglichen, erklärt Marco Sirianni von der ESA, die gemeinsam mit der NASA an dem Projekt arbeitet.
Geleitet wird die Mission von der NASA, die ESA steuert einen Teil der Technologie und des Fachwissens bei und erhält im Gegenzug Zugang zu der noch nie dagewesenen Datenmenge, die das Teleskop liefern wird.
Werfen wir einen Blick auf das, was vom nächsten großen NASA-Weltraumteleskop zu erwarten ist.
Wie wird sich Roman von Hubble und James Webb unterscheiden?
Hubble und Webb sind extrem gut darin, kleine Teile des Himmels zu vergrößern, Romans Stärke ist vor allem sein viel größeres Sichtfeld.
Das Teleskop wird in der Lage sein, Infrarotbilder zu erstellen, die 200 Mal größer sind als die von Hubble. Und das, obwohl die Hauptspiegel mit einem Durchmesser von 2,4 Metern ähnlich groß sind.
Es wird also genauso "exquisite" Bilder liefern, wie wir sie von Hubble und Webb gewohnt sind. Hauptsächlich sei es aber "ein Teleskop für Studien", so Sirianni.
"Um nach einer Sternenpopulation in einer nahen Galaxie zu suchen, die für das Sichtfeld von Hubble sehr groß ist, müssen wir verschiedene Aufnahmen zusammenfügen und Mosaike erstellen. Mit Roman können wir ein Bild der gesamten Galaxie in einer einzigen Aufnahme machen", sagt er.
So wurde beispielsweise kürzlich ein "Mosaik" unserer Nachbargalaxie Andromeda aus 400 Einzelbildern zusammengesetzt, die von Hubble aufgenommen wurden. Roman wird in der Lage sein, das gleiche riesige Bild mit dem gleichen Detailgrad zu erzeugen – und das mit nur zwei Bildern. Dank diesen viel größeren Aufnahmen wird eine nie dagewesene Menge an Daten gesammelt werden.
"Um Ihnen eine Vorstellung zu geben: In den 30 Jahren, in denen Hubble in Betrieb ist, haben wir etwa 170 Terabyte an Daten gesammelt", erklärt Sirianni. "Für Webb erwarten wir, dass wir in fünf Jahren 1.000 Terabyte haben werden. Und für die nominelle Lebensdauer von Roman von fünf Jahren erwarten wir 20.000 Terabyte".
Auf seiner Mission wird das Teleskop Daten über Milliarden von Galaxien sammeln, um ein "3D-Modell des Universums" zu erstellen.
Antworten auf kosmische Rätsel
Mit diesem Panoramablick auf das Universum hoffen die NASA und ihre Partner, einige der größten Fragen der Astrophysik zu beantworten.
Eines der Ziele: Die Überprüfung von Albert Einsteins Relativitätstheorie, die im Maßstab unseres Sonnensystems gut getestet wurde, in größeren kosmologischen Maßstäben jedoch weniger gut.
Roman soll die Expansionsgeschichte des Universums und das Wachstum von kosmischen Strukturen untersuchen, mit dem Ziel, die Auswirkungen der Dunklen Energie, die Konsistenz der allgemeinen Relativitätstheorie und die Krümmung der Raumzeit genau zu messen.
Das Teleskop wird uns Daten liefern, mit denen wir die Position und Entfernung von Millionen von Galaxien genau messen können, und soll uns helfen, die Expansionsgeschwindigkeit des Universums in verschiedenen Bereichen zu verstehen.
Und die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, ob Einsteins Gravitationstheorie geändert werden muss.
Exoplaneten zählen
Weitere wichtige Mission von Roman: Die Entdeckung Tausender neuer Exoplaneten in unserer Galaxie mit Hilfe von sogenannten Gravitationsmikrolinsen.
"Wenn sich zwei Sterne zueinander ausrichten, verzerrt und vergrößert der vordere das Licht des hinteren Sterns. Und wenn der Stern im Vordergrund einen Planeten hat, werden wir den Einfluss dieses Planeten auf das Licht des dahinter liegenden Sterns sehen", so Sirianni.
Da Roman Milliarden von Sternen zählen kann, wird das Teleskop eine "sehr genaue Zahl liefern, wie viele Sterne Exoplaneten haben", fügt er hinzu.
Roman wird nicht nur neue Exoplaneten aufspüren, sondern sie auch abbilden – dank seines Koronografen, ein Instrument, das auch Exoplaneten aufnehmen kann, die sich nahe an ihrem Mutterstern befinden. "Das ist eine sehr komplizierte Technik, da das Sternenlicht blockiert werden muss. Denn es ist enorm viel heller als die Exoplaneten, die man untersuchen will", so Sirianni.
Die Weltraumbehörde wird "Star Tracker" zur Verfügung stellen, kleine Teleskope im Raumfahrzeug, die ständig seine Position am Himmel bestimmen, indem sie Sterne verfolgen. Und sie wird Batterien zur Verfügung stellen, die das Raumfahrzeug mit Energie versorgen, bevor seine Solarzellen zum Einsatz kommen.
Das Nancy Grace Roman Space Telescope soll von der privaten Raumfahrtfirma SpaceX von Elon Musk ins All geschickt werden. SpaceX hat dafür von der NASA einen rund 255 Millionen Dollar schweren Auftrag erteilt bekommen. Das Teleskop wird vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral an Bord einer «Falcon Heavy»-Rakete starten.
Insgesamt belaufen sich die Kosten für die Entwicklung des Teleskops auf rund drei Milliarden Dollar.