WASHINGTON (dpa-AFX) - In den Vereinigten Staaten steht das Wahlrecht auf dem Prüfstand: Das Oberste Gericht der USA hat sich mit einem Fall befasst, der erheblichen Einfluss darauf haben könnte, wer künftig das letzte Wort bei Wahlrechtsfragen in den Bundesstaaten hat. Die Richterinnen und Richter hörten am Mittwoch die Argumente zu einer Theorie über das Wahlrecht, die seit Jahren von einigen Republikanern vorangetrieben wird und der gängigen Lesart der Verfassung widerspricht. Ein Urteil wird kommendes Jahr erwartet.
Der "Independent State Legislature Theory" zufolge sind Gesetzgeber bei Wahlrechtsfragen in den Bundesstaaten nicht an die Verfassung des einzelnen Bundesstaates und damit auch nicht an Entscheidungen dortiger Gerichte gebunden. Anhänger von Donald Trump haben damit versucht, das Wahlergebnis der Präsidentenwahl 2020 zu kippen, die Trump verloren hatte. Befürchtet wird, dass eine Anerkennung dieser Theorie durch den Supreme Court gefährliche Folgen für die Demokratie haben könnte.
Die drei liberalen Richterinnen beanstandeten am Mittwoch, dass die Theorie die Gewaltenteilung und damit auch die gegenseitige Kontrolle von Verfassungsorganen aushebeln könne. Diese Kontrolle würde genau dann abgeschafft, wenn sie am meisten gebraucht würde, sagte Richterin Elena Kagan. Die rechte Mehrheit des Gerichts zeigte sich eher gespalten. Mindestens drei der sechs rechtskonservativen Richter haben sich in der Vergangenheit bereits offen für die Theorie gezeigt und argumentierten nun in der Anhörung entsprechend.
Die nun verhandelte Klage kommt aus dem Bundesstaat North Carolina. Dort sind die Demokraten erfolgreich gegen die Neueinteilung der Wahlbezirke vor Gericht gezogen. Die Republikaner haben daraufhin das Oberste Gericht eingeschaltet und argumentieren mit der "Independent State Legislature Theory". Expertinnen und Experten haben Sorge, dass etwa die Partei an der Macht restriktive Wahlgesetze verabschieden kann, die bestimmte Bevölkerungsgruppen vom Wählen abhalten. Letztlich könnte die Anwendung der Theorie aber auch die Zertifizierung - also die formale Bestätigung - von Wahlergebnissen beeinflussen.