Berlin (Reuters) - Der am Freitag nach Tunesien abgeschobene ehemalige Leibwächter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden könnte schon bald wieder in Deutschland sein.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstag eigentlich entschieden, dass Sami A. nicht abgeschoben werden dürfe, weil ihm in seinem Heimatland Folter drohe. Doch der Beschluss wurde erst am Freitagmorgen veröffentlicht, als sich Sami A. schon auf dem Flug befand. Nun hat die Rechtsanwältin des Tunesiers Klage auf Rückführung nach Deutschland eingereicht, wie Richter Wolfgang Thewes sagte. Die zuständige Kammer des Gerichts beabsichtigte noch am Freitag darüber zu entscheiden.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums hatte zuvor die Abschiebung und die Übergabe von Sami A. an die tunesischen Behörden bestätigt. Zuständig für alle Entscheidungen dazu seien die nordrhein-westfälischen Behörden. Es habe aber einen engen Kontakt zwischen Bund und NRW gegeben. Auch hätten vier Bundespolizisten den Flug begleitet. Bundesinnenminister Horst Seehofer, der sich regelmäßig über den Fall habe in Kenntnis setzen lassen, sei am Freitag nach der Übergabe des Mannes in Tunesien über die Rückführung informiert worden.
Sami A. selbst hatte sich bis zuletzt mit Rechtsmitteln gegen seine Abschiebung gewehrt. Er lebte mit seiner Frau und seinen Kindern in Bochum. Von den Behörden ist der 1976 geborene Mann als sogenannter Gefährder eingestuft.
In seinem Beschluss gegen die Abschiebung schreibt das Gericht unter anderem, eine diplomatisch verbindliche Zusicherung der tunesischen Regierung, dass dem Antragsteller im Falle der Rückkehr keine Folter drohe, liege nicht vor. Gerichtssprecher Thewes sagte, der Beschluss sei am Freitag um 08.10 Uhr an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAmf) versandt worden.
Normalerweise sei davon auszugehen gewesen, dass das Gericht vorher über die Abschiebung informiert werde. "Das ist das übliche Prozedere in diesen Verfahren", sagte Thewes der Nachrichtenagentur Reuters. Das Bamf habe im Gegenteil vor wenigen Tagen auf Anfrage mitgeteilt, dass ein ursprünglich für den 12. Juli geplanter Abschiebeflug wieder storniert worden sei. Zugleich sei aber nicht mitgeteilt worden, dass am 13. Juli ein neuer Flug geplant war. "Hätten wir das gewusst, wäre der Beschluss selbstverständlich viel früher rausgegangen oder die Kammer hätte einen Zwischenbeschluss oder einen Stoppbeschluss erlassen", erläuterte Thewes und fügte hinzu: "Der Eindruck ist entstanden, dass der Rechtsstaat vorgeführt worden ist." Das Gericht sah sich gar gehalten, in einer Mitteilung die zeitlichen Abläufe der gerichtlichen Verfahren noch einmal detailliert nachzuzeichnen.
Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium teilte mit, am 11. Juli 2018 habe die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen die Abschiebungsandrohung für rechtmäßig erachtet. Auf Grundlage dieses Beschlusses sei die Rückführung nach Tunesien am Freitag vorgenommen worden. "Ein anderslautender Beschluss lag dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht vor."
Sami A. wird vorgeworfen, im Jahr 2000 eine militärische und ideologische Ausbildung in einem Lager der Al Kaida in Afghanistan absolviert und zeitweise zur Leibgarde von bin Laden gehört zu haben. Anschließend soll er sich in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Sami A. hat die Vorwürfe bestritten. Auch eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums schloss nicht aus, dass Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden muss: "Das ist tatsächlich Sache von NRW und im Ergebnis des Gerichts."