ATHEN (dpa-AFX) - Egal, wen man am Samstag in Athen fragte, egal, welche Zeitung man las: Überall gab es negative und aufgebrachte Reaktionen auf die deutsche Kanzlerin, die es gewagt hatte, den griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias auf ein Referendum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone anzusprechen. Die Griechen interpretierten das Telefonat Angela Merkels als grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Zumal Merkel nicht ihren Amtskollegen Panagiotis Pikrammenos angerufen hatte, sondern den Staatspräsidenten Papoulias.
Nachdem man in Athen eine Nacht darüber geschlafen hatte, beruhigten sich die Gemüter am Sonntag etwas. Interims-Regierungschef Pikrammenos hatte die Debatte schon am Samstag für beendet erklärt. Ob die Griechen es wollten oder nicht, kommentierte die Athener Sonntagszeitung 'To Vima'. Praktisch gehe es bei den Wahlen am 17. Juni um die Frage Euro oder Drachme. 'Demnach hat Merkel das ausgesprochen, was wir schon wissen.'
Auch die konservative Zeitung 'Kathimerini' machte in ihrem Kommentar klar: 'Das griechische Volk wird (...) de facto entscheiden müssen: Euro oder nicht.'
Am Vortag kochte noch die Wut: 'Es ist, als ob der griechische Ministerpräsident den deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck anrufen und ihm Vorschläge und Ideen unterbreiten würde. Das macht man eben nicht in der Diplomatie', hieß es in Diplomatenkreisen in Athen.
Die Presse spiegelte die explosive Stimmung wider: 'Noch nie dagewesene Einmischung', schrieb die konservative Zeitung 'Eleftheros Typos'. 'Merkel droht und erteilt Befehle', donnerte das populistische Boulevardblatt 'Avriani'. 'Merkels Ultimatum', titelte die Athener Zeitung 'Ta Nea'.
Das prompte Dementi aus Berlin vermochte da nichts mehr auszurichten. In Griechenland hatte die Angelegenheit längst eine eigene Dynamik entwickelt. Einigen linken und ultrarechten Parteien kam die 'Intervention' der Kanzlerin als Geschenk des Himmels gerade recht, für die proeuropäischen Kräfte, Konservative und Sozialisten, war es ein Schlag ins Kontor, analysierten Beobachter die Lage.
'Wir haben leider kein Feuerwerk, um es anzuzünden. Noch so eine Merkel-Intervention und wir werden stärkste Kraft', frohlockte ein hoher Funktionär der Linksradikalen. 'Merkel spricht, als wäre Griechenland ein Protektorat', erklärte ihr Vorsitzender Alexis Tsipras. Der unterwürfigen Haltung der Konservativen und der Sozialisten sei es zu verdanken, dass sich die Bundeskanzlerin das Recht herausnehme, so zu reden.
Nicht weniger drastisch reagierten die rechtsorientierten Unabhängigen Griechen. 'Wenn Frau Merkel ein Referendum will, dann soll sie selbst eines über den Austritt Deutschlands aus dem Euroland machen', konterte ihr Parteichef Panos Kammenos.
Eisige Stimmung herrschte bei der Schwesterpartei der CDU, der Nea Dimokratia (ND). Merkel habe für die 'falsche Nachricht im falschen Moment' gesorgt, sagte Parteichef Antonis Samaras. Parteifunktionäre zeigten sich fassungslos: 'Das darf nicht wahr sein. Eine solche grobe Intervention haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt.'
Entsetzen auch bei den Sozialisten: 'Jawohl! Wir verbeugen uns! Deutschland hat Industrie, es hat Geld, es ist stark - Diplomatie hat es offenbar nicht', sagte ein hoher Funktionär. Berlin habe die Kräfte in Griechenland gestärkt, die gegen den Euro seien.
Erinnert wird daran, dass Ministerpräsident Giorgos Papandreou im vergangenen November mit seinem Vorschlag eines Referendums so unter Druck geraten war, dass er gehen musste. Auch Zweifel, Skepsis und Misstrauen wurden bei den Sozialisten laut: 'Oder ist es etwas anderes? Wollen die (in Berlin) uns aus dem Euroland raus haben und unterstützen deshalb die antieuropäischen Kräfte?'
Böse Kommentare über die deutsch-griechischen Beziehungen auch in den Cafés von Athen: 'Es reicht mit den groben deutschen Interventionen', sagte ein Losverkäufer. Ein Rentner bezweifelte Sinn und Zweck eines Euro-Referendums. 'Ich wette, dass 80 Prozent für den Verbleib im Euroland stimmen werden und dann diejenigen Parteien stärken, die gegen das Sparprogramm sind. Dass es so ist, das sieht doch jedes Kind, aus allen Umfragen.'
Ohnehin sei der Gedanke, parallel zu den Wahlen ein Referendum abzuhalten, Unsinn, sagen griechische Verfassungsexperten. Dafür müsse das Land eine gewählte Regierung haben, die dieses vorschlägt. Dann müsse das Parlament den Vorschlag billigen. Nur: Eine gewählte Regierung gibt es im Moment nicht - und das Parlament ist gerade aufgelöst worden. 'Wer auch immer diese Idee hatte', so die Experten, 'hat keine Ahnung.'
Die wenigen Menschen, die in Athen noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft vor allem in den deutsch-griechischen Beziehungen und eine bessere Kooperation im Euroland hegen, waren am Samstag der Verzweiflung nahe. Binnen weniger Stunden waren die Bemühungen des Präsidenten des Europaparlamentes, Martin Schulz (SPD), zunichte gemacht. 'Wir wollen das Land nicht unterjochen', hatte er dem Staatspräsidenten Papoulias gesagt. Genau das Gegenteil verstand der kleine Mann auf der Straße am Samstag./tt/DP/ck
Nachdem man in Athen eine Nacht darüber geschlafen hatte, beruhigten sich die Gemüter am Sonntag etwas. Interims-Regierungschef Pikrammenos hatte die Debatte schon am Samstag für beendet erklärt. Ob die Griechen es wollten oder nicht, kommentierte die Athener Sonntagszeitung 'To Vima'. Praktisch gehe es bei den Wahlen am 17. Juni um die Frage Euro oder Drachme. 'Demnach hat Merkel das ausgesprochen, was wir schon wissen.'
Auch die konservative Zeitung 'Kathimerini' machte in ihrem Kommentar klar: 'Das griechische Volk wird (...) de facto entscheiden müssen: Euro oder nicht.'
Am Vortag kochte noch die Wut: 'Es ist, als ob der griechische Ministerpräsident den deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck anrufen und ihm Vorschläge und Ideen unterbreiten würde. Das macht man eben nicht in der Diplomatie', hieß es in Diplomatenkreisen in Athen.
Die Presse spiegelte die explosive Stimmung wider: 'Noch nie dagewesene Einmischung', schrieb die konservative Zeitung 'Eleftheros Typos'. 'Merkel droht und erteilt Befehle', donnerte das populistische Boulevardblatt 'Avriani'. 'Merkels Ultimatum', titelte die Athener Zeitung 'Ta Nea'.
Das prompte Dementi aus Berlin vermochte da nichts mehr auszurichten. In Griechenland hatte die Angelegenheit längst eine eigene Dynamik entwickelt. Einigen linken und ultrarechten Parteien kam die 'Intervention' der Kanzlerin als Geschenk des Himmels gerade recht, für die proeuropäischen Kräfte, Konservative und Sozialisten, war es ein Schlag ins Kontor, analysierten Beobachter die Lage.
'Wir haben leider kein Feuerwerk, um es anzuzünden. Noch so eine Merkel-Intervention und wir werden stärkste Kraft', frohlockte ein hoher Funktionär der Linksradikalen. 'Merkel spricht, als wäre Griechenland ein Protektorat', erklärte ihr Vorsitzender Alexis Tsipras. Der unterwürfigen Haltung der Konservativen und der Sozialisten sei es zu verdanken, dass sich die Bundeskanzlerin das Recht herausnehme, so zu reden.
Nicht weniger drastisch reagierten die rechtsorientierten Unabhängigen Griechen. 'Wenn Frau Merkel ein Referendum will, dann soll sie selbst eines über den Austritt Deutschlands aus dem Euroland machen', konterte ihr Parteichef Panos Kammenos.
Eisige Stimmung herrschte bei der Schwesterpartei der CDU, der Nea Dimokratia (ND). Merkel habe für die 'falsche Nachricht im falschen Moment' gesorgt, sagte Parteichef Antonis Samaras. Parteifunktionäre zeigten sich fassungslos: 'Das darf nicht wahr sein. Eine solche grobe Intervention haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt.'
Entsetzen auch bei den Sozialisten: 'Jawohl! Wir verbeugen uns! Deutschland hat Industrie, es hat Geld, es ist stark - Diplomatie hat es offenbar nicht', sagte ein hoher Funktionär. Berlin habe die Kräfte in Griechenland gestärkt, die gegen den Euro seien.
Erinnert wird daran, dass Ministerpräsident Giorgos Papandreou im vergangenen November mit seinem Vorschlag eines Referendums so unter Druck geraten war, dass er gehen musste. Auch Zweifel, Skepsis und Misstrauen wurden bei den Sozialisten laut: 'Oder ist es etwas anderes? Wollen die (in Berlin) uns aus dem Euroland raus haben und unterstützen deshalb die antieuropäischen Kräfte?'
Böse Kommentare über die deutsch-griechischen Beziehungen auch in den Cafés von Athen: 'Es reicht mit den groben deutschen Interventionen', sagte ein Losverkäufer. Ein Rentner bezweifelte Sinn und Zweck eines Euro-Referendums. 'Ich wette, dass 80 Prozent für den Verbleib im Euroland stimmen werden und dann diejenigen Parteien stärken, die gegen das Sparprogramm sind. Dass es so ist, das sieht doch jedes Kind, aus allen Umfragen.'
Ohnehin sei der Gedanke, parallel zu den Wahlen ein Referendum abzuhalten, Unsinn, sagen griechische Verfassungsexperten. Dafür müsse das Land eine gewählte Regierung haben, die dieses vorschlägt. Dann müsse das Parlament den Vorschlag billigen. Nur: Eine gewählte Regierung gibt es im Moment nicht - und das Parlament ist gerade aufgelöst worden. 'Wer auch immer diese Idee hatte', so die Experten, 'hat keine Ahnung.'
Die wenigen Menschen, die in Athen noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft vor allem in den deutsch-griechischen Beziehungen und eine bessere Kooperation im Euroland hegen, waren am Samstag der Verzweiflung nahe. Binnen weniger Stunden waren die Bemühungen des Präsidenten des Europaparlamentes, Martin Schulz (SPD), zunichte gemacht. 'Wir wollen das Land nicht unterjochen', hatte er dem Staatspräsidenten Papoulias gesagt. Genau das Gegenteil verstand der kleine Mann auf der Straße am Samstag./tt/DP/ck