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Veröffentlicht am 26.06.2012, 18:57
Börsen-Zeitung: Nur ein kleiner Schritt, Kommentar zur Verdoppelung

des japanischen Mehrwertsteuersatzes, von Martin Fritz.

Frankfurt (ots) - Es wurde langsam Zeit: Nach 15 Jahren des

Zauderns haben Japans Politiker eine parteiübergreifende Koalition

für eine Verdopplung der Mehrwertsteuer bis 2015 geschmiedet und das

Gesetz tatsächlich beschlossen. Damit ist die finanzielle Zukunft der

Volksrente, die zur Hälfte steuerfinanziert ist, gesichert. Zwar

riskiert man mit dem großen Steuersprung einen Konjunktureinbruch.

Aber in Japans stark gealterter Gesellschaft ist es wohl effektiver,

eher den Verbrauch als die Einkommen zu besteuern, auch wenn dies die

wenigen Jungen zugunsten der vielen Alten benachteiligt.

Premierminister Yoshihiko Noda, der mehr Führungskraft zeigt als

seine fünf Vorgänger zusammen, handelt auch unter dem Eindruck der

Ereignisse in Europa. Der japanische Schuldenturm von brutto 10 Bill.

Euro - mehr als das Doppelte der eigenen Wirtschaftsleistung - hat

sich zu einer Bedrohung für das globale Finanzsystem entwickelt. Noda

beweist Verantwortungsbewusstsein, wenn er den Turm stabilisiert.

Aufatmen kann die Welt dennoch nicht. Japan ist nur ein kleiner

Schritt zur Vermeidung des Staatsbankrotts gelungen. Die Anleihenflut

aus Tokio wird nur gebremst. Bei anhaltend schwachem Wachstum ist der

japanische Haushalt frühestens in zehn Jahren ausgeglichen. Bis dahin

wird die Schuldenquote auf neue Rekordwerte steigen.

Immerhin steht noch einige Jahre lang genug Kapital im Inland für

neue Schulden bereit. Dafür sprechen die Rückflüsse aus Japans

riesigem Auslandsvermögen sowie die enormen Rücklagen von Bevölkerung

und Unternehmen. Aber es gibt berechtigte Zweifel, ob der Staat sich

weiter so billig finanzieren kann wie bisher. Schon eine Verdopplung

des Kupons der zehnjährigen Staatsanleihe auf 2% würde die aktuelle

Bond-Blase zum Platzen bringen und den Insolvenzfall auslösen. Dafür

dürfte es paradoxerweise schon genügen, dass Japan die Deflation

überwindet und sein Wachstum beschleunigt.

Die Steuererhöhung ist für Politiker und Beamte der einfachste

Weg, sich Zeit zu kaufen. Nun kann das Finanzministerium noch einige

Jahre im alten Stil weitermachen. Um den Schwelbrand der fiskalischen

Dauerkrise wirklich zu löschen, müssten die Ausgaben für Senioren

gestutzt, das Dickicht der Staatsfirmen gelichtet, die Einwanderung

gefördert und mehr Freihandel erlaubt werden. Stattdessen ist bei

vielen Verantwortlichen eine Lust an der Depression zu beobachten.

Alle wissen, dass der aktuelle Kurs auch nach dieser kleinen

Korrektur immer noch in die Katastrophe führt. Trotzdem wird nichts

getan.

(Börsen-Zeitung, 27.6.2012)

Originaltext: Börsen-Zeitung

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