Berlin (Reuters) - AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland hat eingeräumt, sich mit Äußerungen über Staatsministerin Aydan Özoguz vergriffen zu haben.
"Das war wohl etwas zu hart", sagte er am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Gauland hatte am Wochenende bei einer Wahlkampfveranstaltung Özoguz' Vorstellungen von der deutschen Kultur angegriffen und erklärt: "Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei dank, in Anatolien entsorgen können." Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach daraufhin von einer "ganz schlimmen sprachlichen Entgleisung". Wahlforscher vermuteten, hinter den Äußerungen des erfahrenen Politikers Gauland stecke eine gezielte Provokation. Er hat wiederholt mit umstrittenen Äußerungen Aufsehen erregt und diese dann nachträglich relativiert.
Im Namen Gabriels erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes zu Gaulands Äußerungen: "Sie lassen jeden Anstand und Respekt gegenüber Andersdenkenden vermissen und wecken überall auf der Welt die schlimmste Erinnerungen an unser Land." Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Frau Özoguz stammt aus Hamburg. Insofern disqualifizieren sich diese Äußerungen von selbst." Solche "Rassisten" dürften nicht in den Bundestag kommen, twitterte SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, bezeichnete Gauland als "miesen, dreckigen Hetzer". CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: "Die Äußerung von Herrn Gauland ist schlicht eins – rassistisch."
AFD-SPITZENKANDIDATIN WEIDEL STELLT SICH HINTER GAULAND
Gauland beklagte, es werde mit zweierlei Maß gemessen. Während bei der AfD die geringfügigsten Überschreitungen einen Aufschrei auslösten, rege sich beispielsweise kaum jemand über die Wortwahl von Kahrs auf. AfD-Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel stellte sich hinter Gauland. "Wenn Herr Gauland dann sehr plakativ eben sagt, dass die Dame nicht in ihr Amt gehört und vielleicht besser in die Türkei, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dann kann ich das einfach nur unterschreiben", sagte sie im ZDF. Sie selber hätte aber andere Worte gewählt. AfD-Chefin Frauke Petry distanzierte sich von der Wortwahl deutlicher. Im demokratischen Deutschland würden Träger seltsamer Meinungen "keinesfalls 'entsorgt'", teilte sie mit. Zugleich nannte Petry die Integrationsbeauftragte untragbar.
Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, vermutete hinter den Äußerungen Gaulands die der AfD wiederholt vorgeworfene Strategie, mit Provokationen Aufmerksamkeit zu erzeugen, bei massiver Kritik jedoch die Aussagen zu relativieren. "Die AfD muss wahrgenommen werden, das erwartet auch die eigene Klientel", sagte Binkert Reuters. "Deshalb ist die Strategie sicher richtig, notfalls zu provozieren." Andererseits müsse die AfD natürlich aufpassen, dass sie sich gegenüber ganz Rechts abgrenzen könne.
"Die AfD hat ein festgefügtes rechtsradikales Wählerpotenzial", sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, zu Reuters. "Gauland trifft genau den Ton, mit dem er AfD-Wähler abholen kann - und andere Wähler in der Mitte erreicht er ohnehin nicht."
Unter Wahlforschern gilt es als gesichert, dass eine eindeutig rechtsradikale Partei nicht dauerhaft über fünf Prozent der Stimmen erhält und damit die Hürde für dem Einzug in Bundestag und Landtage überspringen kann. Die AfD ist nach Umfrage-Höhenflügen mit 15 Prozent im vergangenen Jahr mittlerweile auf Werte um die sieben Prozent gesunken.