BERLIN (dpa-AFX) - Ein Milliarden-Deal zwischen Staat und Stromkonzernen zur Finanzierung des Atomausstiegs in Deutschland bleibt ungewiss. Spitzenvertreter der Regierungskommission und der vier Atom-Konzerne Eon (ETR:EOAN), RWE (XETRA:RWEG), Vattenfall und EnBW (ETR:EBK) (XETRA:EBKG) konnten sich bei einem erneuten Treffen nicht auf einen Kompromiss verständigen.
Strittig ist unter anderem, wie viel Geld die Konzerne aus ihren Milliarden-Rückstellungen an den Staat abtreten sollen, um so die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls zu finanzieren und die Risiken für die Steuerzahler zu begrenzen. Der Energiekonzern Eon setzt weiter auf eine einvernehmliche Lösung, wie Vorstandschef Johannes Teyssen am Dienstag vor Investoren sagte.
Sollte bis zu diesem Mittwoch keine Einigung gelingen, sind die Verhandlungen der 19-köpfigen Expertenkommission mit den Unternehmen gescheitert. Das Experten-Gremium würde dann keinen gemeinsamen Vorschlag für einen "Entsorgungskonsens" zwischen Staat und Konzernen vorlegen. Offen ist, wie dann die Politik entscheidet.
Der Co-Chef der Kommission, Ex-Umweltminister Jürgen Trittin, warnte erneut die Konzerne, die Chance auf eine Einigung verstreichen zu lassen. "Für die Unternehmen ist der schlimmste Zustand, wenn es kein Ergebnis gibt", sagte der Grünen-Politiker im rbb-Inforadio. Dies würde bei der Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit durch die Rating-Agenturen "bittere Konsequenzen" haben. Der Staat sei bereit, den Konzernen bei der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls entgegenzukommen. Einen Verzicht auf eine Nachhaftung könne es aber nicht zum Nulltarif geben. "Der Staat kann nur Risiken übernehmen, die auch angemessen abgebildet sind. Es muss auch das Verursacherprinzip gelten."
Die Regierungskommission soll vorschlagen, wie die Rückstellungen der vier Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW von inzwischen gut 40 Milliarden Euro langfristig gesichert werden können. Sie schlägt vor, dass die Unternehmen die Stilllegung und den Rückbau der Atommeiler übernehmen und dafür unbegrenzt haften. Der Staat würde für die End- und Zwischenlagerung des Atommülls zuständig sein und dafür einen von den Konzernen finanzierten Fonds auflegen.
Über die von den Konzernen zu überweisende Summe wird wegen Risikoaufschlägen gefeilscht. Teile der Kommission fordern 23 bis 26 Milliarden Euro. Die Konzerne boten zuletzt 20 bis 21 Milliarden. Die Verhandlungen seien weiter schwierig, von einer Einigung sei man noch entfernt, hieß es. Die Vorstellungen der Unternehmen seien innerhalb der Regierungskommission nicht mehrheitsfähig. Nun müsse die Kommission an diesem Mittwoch über ihr Votum entscheiden - es muss mit Zweidrittelmehrheit fallen. Die Kommission will am Mittwochnachmittag mögliche Ergebnisse in Berlin vorstellen.
Eon-Chef Teyssen sagte auf einer Investorenveranstaltung in London: "Wir haben (...) in den vergangenen Wochen den Eindruck gewonnen, dass beide Seiten an tragfähigen Lösungen sowohl für die Unternehmen als auch für den Staat interessiert sind". Dennoch werde Eon an seiner Verfassungsklage ebenso wie an den Klagen gegen die Atomsteuer auch bei einer Einigung festhalten. "Ich sehe da keinen Zusammenhang", sagte Teyssen.
Die Atom-Konzerne hatten wegen des schnellen Ausstiegs nach der Reaktorkatastrophe in Japan 2011 zahlreiche Klagen vor verschiedenen Gerichten erhoben. Dabei geht es nach Einschätzung der Branche um eine zweistellige Milliardensumme.