Berlin, 23. Okt (Reuters) - Die Einigung zwischen Russland und der Türkei in der Syrien-Politik erschwert nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes eine Umsetzung der von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgeschlagenen Schutzzone. "Eine solche Schutzzone in der gegenwärtigen politischen, aber auch in der militärischen Lage ist hoch kompliziert, gerade nach der Verständigung zwischen (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin und (seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip) Erdogan gestern", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), am Mittwoch im Deutschlandfunk.
"Wenn wir uns im Grunde genommen beteiligen würden an einer Schutzzone, die de facto von der russischen und der türkischen Regierung bereits vereinbart worden ist und durch militärische Kräfte ja auch manifestiert ist, dann unterstützen wir ja möglicherweise Fakten, die wir aber im Kern ablehnen", warnte der SPD-Politiker. Denn die deutsche Haltung sei klar, die Bundesregierung erwarte von der Türkei weiter den Abzug aus Syrien. Damit stelle sich die Frage, was eine Beteiligung an einer Sicherheitszone in der aktuellen Lage konkret bedeuten würde. "Werden wir dann quasi zu einer unterstützenden Kraft für die russische Politik in Nordost-Syrien? Das kann ich mir eigentlich beim besten Willen nicht vorstellen, und deswegen gibt es in der Tat sehr viele wichtige Details jetzt zu klären."
Putin und Erdogan hatten sich am Dienstagabend auf einen Abzug der kurdischen YPG-Miliz aus der syrischen Grenzregion geeinigt. Das neue Abkommen sieht vor, dass sich die YPG aus einem Grenzstreifen zurückziehen soll, der fast drei Mal so groß ist wie das in der amerikanisch-türkischen Vereinbarung vor einigen Tagen festgelegte Gebiet. Er umfasst nahezu das gesamte von der Türkei für eine Sicherheitszone beanspruchte Gebiet. Zunächst sollen syrische Grenzpolizisten und russische Feldjäger dafür sorgen, dass keine YPG-Kämpfer sich in dem 30 Kilometer breiten Grenzstreifen aufhalten. Nach sechs Tagen sollen dann russische und türkische Einheiten gemeinsam in einem zehn Kilometer langen Streifen patrouillieren.
Durch die Einigung kehren syrische Sicherheitskräfte in ein Gebiet zurück, das jahrelang von der Kurdenmiliz kontrolliert wurde. US-Präsident Donald Trump zog zuletzt allerdings die amerikanischen Truppen ab, die die YPG im Kampf gegen die Extremistenmiliz IS unterstützt hatten, und machte damit den Weg frei für die Offensive der Türkei im Nordosten Syriens. Die Türkei betrachtet die YPG als eine terroristische Vereinigung. (Reporterin Sabine Siebold; redigiert von Georg Merziger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern 030/2888-5168 oder 069/7565-1236.)