Wie ein Seismograph reagiert der Kurs des Schweizer Franken auf die allgemeine Stimmungslage an den weltweiten Finanzmärkten. Nur so ist auch die Abwertung der eidgenössischen Währung vor zehn Tagen zu erklären, als im Gegenzug der Euro gegenüber dem Franken mit 1,2650 auf ein Zwei-Jahres-Hoch gestiegen ist. Auslöser dieser Rally waren auch hier einmal mehr die ersten Äußerungen des US-Notenbank-Chefs Ben Bernanke, der zu Beginn seiner Rede vor dem Kongress keinen Zweifel daran ließ, die lockere Geldpolitik seiner Institution noch sehr lange fortsetzen zu wollen. Dax und Dow Jones stiegen auf neue Rekordmarken, die Welt war für die Börsianer in allerbester Ordnung, warum sollten also sichere Häfen wie der Schweizer Franken angesteuert werden.
Dieses Bild bekam aber keine 24 Stunden später deutliche Risse, als man sowohl die Rede Bernankes etwas anders zu deuten begann und ein die Erwartungen um 0,8 Prozentpunkte verfehlender Einkaufsmanagerindex aus China die Investoren veranlasste, angefangen beim Nikkei in Japan und dann weltweit die in den letzten Monaten aufgelaufenen Gewinne mitzunehmen. Da war sie dann auch wieder, die unmittelbare Flucht des Kapitals in den sicheren Hafen Schweiz. Der Franken wertete infolge der bis heute andauernden Korrektur schon wieder bis unter die Marke von 1,24 EUR/CHF auf.
Verschweigen darf man an dieser Stelle allerdings nicht die Gerüchte, die sich einmal mehr um mögliche neue Schritte der Schweizer Nationalbank (SNB) im Kampf gegen eine zu starke Währung ranken. Sowohl eine Einführung von negativen Zinsen auf Guthaben in Schweizer Franken als auch die Anhebung der seit September 2011 existierenden Untergrenze zum Euro von aktuell 1,20 auf 1,25 EUR/CHF halten sich hartnäckig und werden vom Präsidenten der SNB Thomas Jordan somit auch gern als verbales Druckmittel eingesetzt. Wohlgemerkt hatte schon im Dezember vergangenen Jahres die Credit Suisse angekündigt, solche Strafzinsen für ihre institutionellen Kunden einzuführen. Seitdem reicht es allein aus, dass der SNB-Präsident auf diversen Veranstaltungen im Beisein von schreibfreudigen Journalisten immer wieder erwähnt, dass er diese Maßnahmen für in seinem Haus geparkte Gelder für die Zukunft nicht ausschließt.
Erwartungen an weitere EZB-Zinssenkungen stärken den Franken
Warum sollte er auch, in einem Umfeld von Zinsen nahe Null und weiter andauernder Deflation in der Schweiz bleiben ihm eben nur diese außergewöhnlichen Maßnahmen, um im weltweiten Wettlauf um die schwächste Währung nicht als Verlierer vom Platz zu gehen. Nun schon seit 19 Monaten in Folge fallen im Alpenland die Preise, für das laufende Jahr erwartet die SNB einen Rückgang um 0,2 Prozent. Zwar ist die Schweiz mit einem für 2013 erwarteten Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent noch weit von japanischen rezessiven Verhältnissen entfernt, aber auch hier verhindert der hohe Wechselkurs des Franken eine Beschleunigung des Wachstumstempos durch die Exportindustrie. Und wenn man bedenkt, dass die Stärke des Franken vor allem aus den Sorgen über ein Zusammenbruch der Eurozone resultiert, also externe Faktoren die eigene wirtschaftliche Situation in den Hintergrund rücken, kann man den festen Willen der SNB verstehen, eine weitere Aufwertung des Franken, koste es was es wolle, zu verhindern.
Im Moment erzielt die SNB mit ihrer Strategie des Aufbaus von Währungsreserven, aber auch dem Investment in ausländischen Aktien sogar gute Gewinne, die sie regelmäßig dem Schweizer Staatshaushalt zuführen kann. Sicherlich ist dies auch ein Grund dafür, dass sie sich in der kurzfristigen Franken-Abwertung noch nicht in größerem Ausmaß von ihren Devisenbeständen getrennt hat. Andererseits würde sie so sicher auch ein falsches Signal setzen und den Devisenmarkt eher ungewollt herausfordern, würde sie bei diesen noch sehr minimalen Kursveränderungen schon anfangen, in die Gegenrichtung zu agieren.
Zu gut weiß auch die SNB, dass die schwindende Angst vor größeren Verwerfungen in der Eurozone schnell wieder auf die Tagesordnung zurückkehren kann. Auch kann sie nicht wissen, ob und wann die EZB nicht sogar noch zu einer weiteren Zinssenkung im Euroraum gezwungen sein könnte, was den Euro schwächen und den Franken im Gegenzug stärken würde. Und die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schrittes ist gerade mit Blick auf Länder wie Italien, Spanien aber auch Frankreich, die sich in den nächsten Monaten sehr schwer tun werden auf ihrem Weg aus der Rezession, nicht gerade sehr gering.
Je näher der Kurs an die 1,20er Marke rückt, umso attraktiver der Einstieg
Die Schweizer Nationalbank ist gut gerüstet für eine nächste Bewegung des Franken wieder etwas näher an die Marke von 1,20 EUR/CHF, die sich schon in den nächsten Tagen oder Wochen bei einer anhaltenden Konsolidierung an den Aktienmärkten ergeben könnte. Wie stark die Bewegung in diese Richtung ausfallen wird, mag auch ich nicht einschätzen. Aber das Szenario von mir unterstellt, die 1,20 werden auch in Zukunft nicht zur Disposition stehen, ist das Risiko eines zu frühen Einstiegs dennoch begrenzt.
Ich gehe gleichzeitig davon aus, dass immer wieder in unregelmäßigen Abständen die verbalen Interventionen über die Anhebung der Untergrenze oder Negativzinsen gerade dann zu vernehmen sein werden, wenn auch das allgemeine Stimmungsbild an den Finanzmärkten wieder in Richtung Euphorie geht, damit der Effekt der Franken-Schwächung auch richtig stark ausfällt. Das bedeutet immer wieder die Chance auf attraktive Gewinne bei gleichzeitig überschaubarem Risiko je nach Stärke der beiden Wellenbewegungen, in denen der Franken in meinen Augen noch eine Weile verharren wird. Und wenn die Eurozone dann in einigen Jahren tatsächlich wieder zu alter Dynamik zurück findet, sollte man auf jeden Fall dabei sein, wenn der Euro auf- und der Franken dementsprechend wieder abwertet. Denn dann kann es langfristig auch wieder in Richtung alter Kursmarken von 1,50 EUR/CHF und darüber gehen.
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