Mit dem klaren Ausbruch über sein jüngstes Hoch hat der S&P 500 formal die Fortsetzung der Rally eingeläutet. Allerdings nähert er sich damit der 2.000-Punkte-Marke, die – wie im Steffens Daily vom Mittwoch erläutert – eine hohe Hürde darstellt, welche nicht so leicht zu überwinden sein dürfte. Dennoch dürfte die Rally mittelfristig weitergehen. Und hier kommen einige Gründe dafür. Grund
1: Aktuell ist die Stimmung wieder von Zweifeln geprägt
Der erste Grund ist die aktuelle Stimmung der Privatanleger. Aktuell sind wir von Euphorie immer noch weit entfernt. Im Gegenteil, zuletzt verstärkte sich sogar die Unsicherheit wieder. Grund dafür war neben Sorgen über die Wirtschaftsentwicklung in den Schwellenländern (der Grund für die Korrektur vom Januar) die Eskalation der Lage in der Ukraine in der Vorwoche. In diesem Zusammenhang stiegen typische „Angstindikatoren“ wie die Preise für Gold und Rohöl.
Passend dazu verschlechtern sich einschlägige Stimmungsindikatoren. So stieg die Bereitschaft der sogenannten Kleinspekulanten an der US-Terminbörse zu Absicherungsgeschäften oder Short-Spekulationen auf den höchsten Stand seit Anfang Juni 2012. Und auch sentix konstatierte unlängst eine ähnlich schlechte Stimmung unter den Privatanlegern wie zuletzt im Sommer 2012, als EZB-Chef Draghi seine Bereitschaft zur bedingungslosen Unterstützung des Euro verkünden musste.
Im Gegensatz dazu – und das ist der zweite Grund – ist der Risikoappetit der professionellen Anleger immer noch ungebrochen. Zwar nehmen auch die Profis inzwischen den Aktienmarkt als überkauft und zumindest teilweise überbewertet wahr. Allerdings haben sie andere Möglichkeiten als die Privaten, ihr Geld in weiterhin attraktive Anlagen zu stecken, z.B. die berühmt berüchtigten Private-Equity-Fonds großer Finanzinvestoren. Aber auch die Unternehmen selbst sind angesichts ihrer weiterhin prall gefüllten Kassen inzwischen verstärkt auf der Suche nach aussichtsreich erscheinenden Übernahmen (siehe z.B. den Facebook-Whatsapp-Deal vor knapp drei Wochen). Grund 2: Die Profis investieren viel – aber nicht zu viel
So stieg das weltweite Transaktionsvolumen, dass Unternehmen, aber eben auch Finanzinvestoren in Firmenübernahmen steckten, 2013 auf ein neues „Nach-Rezessions-Hoch“ an (siehe folgende Grafik):
Quelle: Bureau van Dijk
Trotzdem ist dieser Wert aber immer noch von den Extremwerten der Jahre 2000 und 2007 entfernt. Dabei ist es keineswegs ein Zufall, dass diese Hochs gleichzeitig mit Rekordmarken an den Aktienmärkten in diesen Jahren auftraten! Denn natürlich sind die Verkäufer daran interessiert, zu den dann erzielbaren hohen Preisen zu verkaufen, während gleichzeitig die allseits herrschende Euphorie dafür sorgt, dass die Käufer bereit sind, diese Summen auch zu bezahlen.
Der aktuelle Anstieg ist also noch weit davon entfernt, besorgniserregend zu sein – auch wenn einige Kommentatoren angesichts des jüngsten „Rekord-Deals“ (wie der Übernahme von Whatsapp durch Facebook) etwas anderes glauben machen wollten. Dieser Zuwachs zeigt nur, dass die Investoren weiterhin risikobereit sind. Und dass ist positiv, selbst wenn sie dabei dem Aktienmarkt kurzfristig den Rücken zukehren. Auch Risikofinanzierungen werden mehr und mehr getätigt
Warum das so ist, zeigt ein Blick auf ein spezielles Segment dieser Unternehmensfinanzierungen, die sogenannten Venture-Capital-(Risikokapital-)Transaktionen. Dabei werden ausschließlich junge oder neu zu gründende Unternehmen mit dem nötigen Kapital ausgestattet. Und auch in diesem – sehr speziellen – Investmentsegment stieg das neu investierte Kapital laut dem Branchedienst CB Insight seit Ende 2012 in jedem Quartal kontinuierlich an. Auch die Anzahl der Deals legte dabei per Saldo weiter zu. Insgesamt kam es damit 2013 zu dem fünften Jahr in Folge mit steigenden Transaktionen. Der Anstieg betrug gegenüber 2011 9 %, gegenüber 2012 jedoch nur noch 3 %. Das Gesamtvolumen all dieser Deals von 2013 blieb jedoch noch hinter dem bisherigen Nach-Rezessions-Hoch von 2011 zurück.
Auch hier also das gleiche Bild: Moderate, aber kontinuierliche Zuwächse deuten auf steigende Risikobereitschaft hin, zeigen aber kein Überschwang an. Welch ein Unterschied also zu der Situation um den Jahrtausendwechsel, als jede Firma, die „irgendwas mit Medien oder Internet“ machte, von den Investoren förmlich mit Geld überschwemmt wurde! Grund 3: Die Basis für künftige Börsengewinne wird bereits heute geschaffen
Und damit kommen wir zum dritten und wichtigsten Grund für steigende Aktienmärkte. Während die ersten beiden Gründe eher kurzfristig (Skepsis der Privatanleger) bzw. mittelfristig (zunehmende Investitionen in Unternehmen) wirken, bietet der letztgenannte Aspekt – die wachsende Attraktivität junger, innovativer Unternehmen für die Investoren – eine langfristig verheißungsvolle Perspektive für die Aktienmärkte. Denn diese Unternehmen, die heute von den Profis finanziert werden, sind aus zweifacher Hinsicht auch für den „Normalanleger“ von Bedeutung.
Zum einen sorgen diese Unternehmen für den notwendigen Fortschritt, der letztlich Wirtschaft und Gesellschaft weiter voranbringen. Das wirkt sich natürlich auch vielfach positiv auf die etablierten Unternehmen und Märkte aus, die dadurch ebenfalls zu Innovationen gezwungen werden. Diese etablierten Unternehmen sind aber häufig börsennotiert, so dass wir als Anleger davon zumindest indirekt profitieren.
Zum anderen – und das ist noch bedeutungsvoller – sorgen die jungen Unternehmen in der Regel gleichzeitig für Umbrüche in vorhandenen Märkten und Branchen. Auch das konnten wir seit den 1990er Jahren in vielen Bereichen beobachten. Und wenn diese Firmen eines Tages an die Börse gehen – und das wird unweigerlich bei vielen der Fall sein – dann wird die Rally vermutlich erst so richtig ins Laufen kommen. Allerdings nähern wir uns dann jedoch schon wieder ihrem Ende. Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten – für Langfristinvestoren!
Das ist, wie gesagt, ein langfristiger Aspekt. Aber dafür legen die aktuell merklich steigenden Investitionen der Profis in Risikokapitalfonds heute den Grundstein. Und bis es soweit ist, haben die Aktienmärkte noch viel Luft nach oben, denn auf dieses Szenario wird immer wieder beizeiten spekuliert werden.
Für Sie als Privatanleger bedeutet das: Wenn die Märkte kurzfristig – also in den kommenden Wochen und Monaten – angesichts der starken Widerstände (im DAX die 10.000-Punkte-Marke, im S&P 500 die 2.000-Punkte-Marke) tatsächlich in eine Konsolidierung übergehen, dann sollten Sie die Rücksetzer nutzen, um langfristig aussichtsreiche Positionen einzugehen. Die kurzfristigen Sorgen und Ängste, die in dieser Zeit die Schlagzeilen beherrschen werden, sollten Sie dabei als gute Freunde willkommen heißen. Denn Sie geben Ihnen die Möglichkeit, diejenigen Aktien zu kaufen, die Sie schon immer haben wollten (und die aktuell vielleicht noch ein wenig zu teuer erscheinen).
Torsten Ewert
Stockstreet GmbH