Der Chef der St. Louis Fed, James Bullard, sagte letzte Woche, dass die Ängste vor einer Rezession in den USA übertrieben seien. Gleichzeitig plädierte er weiterhin für vorgezogene Zinserhöhungen.
Bullard, der mit seiner Forderung nach drastischen Zinserhöhungen zur Eindämmung der Inflation eine Vorreiterrolle einnimmt, ist davon überzeugt, dass sich die US-Wirtschaft in einer Expansionsphase befindet und Spekulationen über eine Konjunkturflaute fehlgeleitet oder verfrüht sind.
Anlässlich einer Veranstaltung der UBS (SIX:UBSG) in Zürich sagte Bullard:
"Zinserhöhungen werden die Wirtschaft verlangsamen, aber wahrscheinlich eher auf ein Trendwachstum als darunter. Ich glaube nicht, dass es sich um eine größere Verlangsamung handelt. Ich denke, es ist eine moderate Verlangsamung der Wirtschaft."
Im nahe gelegenen Basel ist die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken, nicht ganz so optimistisch. In ihrem Jahresbericht warnte die BIZ am Sonntag, dass Zinserhöhungen der Zentralbank der Inflation vorausgreifen müssen, wenn sie wirksam sein sollen.
"Eine allmähliche Anhebung der Leitzinsen in einem Tempo, das hinter dem Inflationsanstieg zurückbleibt, bedeutet sinkende Realzinsen. Dies lässt sich nur schwer mit der Notwendigkeit vereinbaren, die Inflationsrisiken unter Kontrolle zu halten. Angesichts des Ausmaßes des Inflationsdrucks, der sich im vergangenen Jahr entwickelt hat, werden die realen Leitzinsen deutlich steigen müssen, um die Nachfrage zu dämpfen."
Außerdem fügte die BIZ hinzu: "Eine moderate Verlangsamung reicht möglicherweise nicht aus."
Wer hat also recht - Bullard oder die BIZ?
Powell hat in letzter Zeit viel Kritik einstecken müssen. Zunächst unterschätzte er den Inflationsdruck, und dann spielte er das Risiko einer Rezession herunter. Außerdem schloss er zunächst eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte aus, ehe die Fed die Zinsen im Mai dann doch um eben diesen Prozentsatz anhob.
In einem Kommentar auf MarketWatch schaffte es der Investmentanalyst Joachim Klement mit dieser knalligen Überschrift in die Schlagzeilen: "Jerome Powell ist der schlechteste Fed-Notenbanker, den ich je gesehen habe."
Klement, ein in London ansässiger Analyst mit Mathematikstudium, glaubt, dass Powell von den Finanzmärkten dazu gedrängt wurde, den Panikknopf zu drücken, genau wie die "schwachen Vorsitzenden" der späten 1960er und frühen 1970er Jahre.
"Eine starke Fed wäre in der Lage, dies der Öffentlichkeit zu erklären und dem Druck der Märkte, die Zinsen schnell zu erhöhen, standzuhalten. Stattdessen haben wir unter Powell wieder einmal Zentralbanken, die den Schwanz mit dem Hund wedeln und sich die Geldpolitik von Außenstehenden diktieren lassen. Wenn die Fed den Markterwartungen nach schnellen Zinserhöhungen nachgibt, bestellt sie genau die Rezession, die der Bärenmarkt bei den Aktien gerade vorwegnimmt."
Er möchte, dass sich die Fed mehr auf die Kerninflation statt auf die Gesamtinflation konzentriert, die durch Angebotsschocks bei Energie und Lebensmitteln angetrieben wird, und bei der Zinserhöhungen kaum etwas bewirken können.
Hinter den Äußerungen von Bullard und Klement steht die Überzeugung, dass die Fed schon viel früher hätte handeln sollen, um gegen die vor über einem Jahr in Gang gekommene Inflation vorzugehen.
Selbst bei ausschließlicher Betrachtung der Kerninflation lässt sich ein von einem Nachfrageüberhang ausgehender Preisdruck feststellen, der durch rechtzeitige Zinserhöhungen hätte gedämpft werden können.
Warum haben die Entscheidungsträger der Fed aber nicht schon früher gehandelt? Vielleicht können Histroiker das herausfinden. In der Realität sind wir mit Angebotsschocks konfrontiert, die die zugrunde liegende Inflation angeheizt haben.
Powell musste in der vergangenen Woche vor dem Kongress zugeben, dass ein "Risiko" besteht, dass die Arbeitslosigkeit steigt, wenn die Fed die Zinsen anhebt, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit derzeit "auf einem historisch niedrigen Niveau" liegt. Er räumte ein, dass eine Rezession möglich ist.
Nachdem die Fed-Notenbanker die Inflation zunächst völlig falsch eingeschätzt hatten, schwenken sie nun um, ergänzte Powell in seiner Anhörung vor dem Kongress.
"Das Wichtigste ist, dass wir jetzt nicht versagen dürfen. Wir müssen die Inflation unbedingt auf 2 % herunterbringen. Wir werden Beweise dafür sehen wollen, dass sie wirklich zurückgeht, bevor wir irgendeine Art von Sieg verkünden."
Nach der strammen Anhebung der Fed-Leitzinsen um 0,75 % Anfang des Monats erwarten Experten eine weitere Erhöhung in gleicher Höhe im Juli.
Zu viel, wenn man Klement fragt, zu wenig, wenn man die BIZ fragt?