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In dem Bemühen, die Inflation zu bekämpfen, greift die amerikanische Notenbank zu einer historisch starken Zinsanhebung. Experten sind sich sicher, dass weitere Erhöhungen folgen werden. Die Fed wagt damit einen schwierigen Balanceakt.
Rasant steigende Preise haben die US-Notenbank dazu gebracht, den Leitzins so stark wie seit über 20 Jahren nicht mehr anzuheben. Fed-Chef Jerome Powell und seine Währungshüter entschieden sich am Mittwoch dafür, den Zinssatz um einen halben Prozentpunkt auf die jetzige Spanne von 0,75 bis 1,00 Prozent zu erhöhen. Experten hatten diesen starken Schritt erwartet. Schließlich hatte die Notenbank im März die Zinswende durch eine Erhöhung um einen Viertelprozentpunkt bereits eingeleitet. In den kommenden Monaten werden nach Expertenmeinungen weitere kräftige Erhöhungen zu erwarten sein. An den Märkten wird damit gerechnet, dass die Zinsen bis Ende des Jahres mindestens 2,75 Prozent erreichen werden.
Abbau der aufgeblähten Fed-Bilanz
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation werden durch einen Abbau der Fed-Bilanz flankiert, die inzwischen auf etwa neun Billionen Dollar aufgebläht wurde. Wie die Zentralbank nun entschieden hat, soll dieses Manöver im Juni beginnen. Zuerst wird das Portfolio jeden Monat um bis zu 47,5 Milliarden Dollar reduziert, ab September wird das Tempo auf bis zu 95 Milliarden Dollar erhöht.
Als Reaktion auf die Entscheidung der Fed fühlten sich die Anleger erleichtert. Doch das gab der Wall Street nur kurz Rückenwind. Die Indizes Dow Jones, Nasdaq sowie S&P 500 konnten ihre zwischenzeitlichen Gewinne nicht halten und gaben diese innerhalb weniger Minuten wieder ab. Der Dollar-Index wiederum, der den Wechselkurs zu den wichtigsten Währungen widerspiegelt, näherte sich nach einem Rückgang wieder seinem jüngsten 19‑1/2-Jahreshoch.
Größte Zinserhöhung seit 22 Jahren
Die Fed reagiert auf die galoppierende Inflation mit der größten Zinserhöhung seit 22 Jahren. Kürzlich hat die Inflationsrate 8,5 Prozent erreicht, den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Inzwischen besteht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Die Fed ist demnach unter Druck, der Preisinflation durch eine Verteuerung des Geldes entgegenzuwirken. Laut Powell will sich die Zentralbank „zügig“ auf ein neutrales Zinsniveau zubewegen, das die Wirtschaft weder ankurbelt, noch bremst.
Es gab zu Beginn des Jahres einen unerwarteten Rückgang der Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistung sank im ersten Quartal um 1,4 Prozent. Die Zentralbank verfolgt die Ziele der Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Inzwischen geht es mit der US-Wirtschaft wieder bergauf und die Arbeitslosenquote sank kürzlich auf 3,6 Prozent. Zahlreiche Betriebe klagen bereits über eine Knappheit an Arbeitskräften. Die Verbraucherpreise steigen jedoch seit Monaten rapide an. Im März erhöhten sie sich um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Ziel der Fed ist es, eine Inflationsrate von zwei Prozent zu erreichen.
EZB hat gleiches Inflationsziel
Dies ist auch das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Leitzins im Euro‑Währungsraum liegt seit etwa sechs Jahren auf einem Rekordtief von null Prozent. Zurzeit wird wegen der Rekordinflation die erste Zinserhöhung im Euroraum für diesen Sommer vorhergesagt. Mehrere Mitglieder des EZB-Rates hatten in diesen Tagen eine Anhebung im Juli nicht mehr ausgeschlossen.
Balanceakt zwischen Inflation und Abschwächung der Konjunktur
Die US-Notenbank befindet sich in diesem Jahr in einem Dilemma, die Rekordinflation mit einer strengeren Geldpolitik einzufangen, ohne die Gefahr einzugehen, die Wirtschaft zu sehr zu bremsen. Eine solche „weiche Landung“ ist ein äußerst schwieriges Unterfangen und ist der Fed in den letzten 60 Jahren nur einmal vollständig gelungen. Laut Janet Yellen, US‑Finanzministerin und Vorgängerin von Powell, wird die Fed sowohl Geschick als auch Glück benötigen.
Die reinigende Wirkung der Rezession
Auch wenn Rezessionen allgemein gefürchtet sind, so sind sie doch ökonomisch gerechtfertigt. Als reinigendes Gewitter bewirken sie, dass die Auswüchse und Fehlentwicklungen eines geldpolitisch induzierten Booms korrigiert werden. Der Rückgang des Konjunkturzyklus, schrieb bereits der österreichische Ökonom Ludwig von Mises (1881 - 1973), ist „die Verwirklichung der Folgen des durch Kreditexpansion vorgetäuschten Booms“. Eine Rezession ist also in diesem Sinne ein „wirtschaftlicher Fortschritt“, weil sie die Ressourcen dorthin umleitet, wo sie am meisten Nutzen bringen.
Falls die Fed die Inflation aus Angst vor einer Rezession nur unzureichend bekämpfen würde, hätte das nicht nur in den USA Auswirkungen. Die Fed ist die international wichtigste Zentralbank und gibt durch ihre geldpolitischen Entscheidungen globale Inflationstendenzen vor. Trotz höherer Leitzinsen können sich kleinere Länder wie Neuseeland, Ungarn oder Polen dem Trend nicht entziehen. Falls die Fed weiterhin Geld in die Wirtschaft pumpen sollte, wird ein Teil davon in Länder mit hohen Zinsen fließen und dort die Preise nach oben treiben.