Der Goldanteil an den 3,2 Billionen schweren chinesischen Devisenreserven liegt aktuell bei lediglich 4,9 %. Eine deutliche Aufstockung zur Diversifizierung gilt deshalb als ausgemacht. Die PBoC dürfte für Jahrzehnte ein relevanter Goldnachfrager sein.
Die Goldkäufe der chinesischen Zentralbank galten lange als Kurstreiber für das Edelmetall. Im Mai und im Juni hatte die Volksrepublik jedoch keine Käufe mehr getätigt. Dabei dürfte es jedoch nicht bleiben: Vieles spricht für ein dauerhaft wachsendes Engagement der PBoC in Gold.
3,2 Billionen USD Reserven – und nur 4,9 % in Gold
Bereits ein Blick auf die chinesischen Devisenreserven legt nahe, dass die chinesische Goldnachfrage in Zukunft hoch bleiben dürfte. Das Land verfügt mit 3,22 Billionen USD über die weltweit größten Devisenreserven. Dies ist durch die langjährigen und hohen Exportüberschüsse der chinesischen Wirtschaft bedingt.
Der Anteil von Gold an den chinesischen Devisenreserven lag zuletzt bei 4,9 % und damit so hoch wie noch nie. Im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von 16 % ist die chinesische Zentralbank bei Gold jedoch unterinvestiert. Es ist typisch für Entwicklungs- und Schwellenländer, weniger Goldreserven als Industrieländer zu halten. China hat aufgrund seiner ökonomischen Entwicklung hier Nachholbedarf.
Nitesh Shah, Rohstoffstratege bei WisdomTree jedenfalls, glaubt an eine Aufstockung des Goldbestands im Reich der Mitte. Angesichts des aktuell geringen Anteils und der sehr großen Devisenreserven "glauben wir, dass die PBoC über Jahrzehnte hinweg größere Mengen Gold kaufen wird".
Die Käufe der Zentralbank wiederum addieren sich zu einer starken privaten Nachfrage aus China. Diese resultiert nicht zuletzt aus der anhaltenden Immobilienkrise des Landes. Shaokai Fan, globaler Leiter des Zentralbanksektors beim World Gold Council, konstatiert: "Die Käufe des offiziellen Sektors sind kostenlose Werbung für Gold in China".
Die Anlage von Devisenreserven in Gold für Zentralbanken auch eine strategische Entscheidung. Gold kann im Inland gelagert werden und ist dadurch sicher vor Beschlagnahmung im Zusammenhang mit Sanktionen.
Gemessen am Anteil der Goldreserven an den gesamten Devisenreserven liegt deshalb Russland unter den größeren Ländern ganz vorn. Hier liegt der Goldanteil an den Gesamtreserven von 597 Mrd. USD bei 30 %. De facto ist der Anteil noch höher: Rund die Hälfte der russischen Reserven wurde durch westliche Länder infolge des Ukrainekrieges eingefroren.
Goldreserven als Schutz gegen Sanktionen
Nach dem Kriegsausbruch hatte die russische Zentralbank lediglich Zugang zu Investitionen in Yuan-denominierten Vermögenswerten und Gold. Die PBoC sieht dies als warnendes Beispiel: Rund 60 % der Währungsreserven der Volksrepublik sind in US-Dollar denominiert.
Julius Bär (SIX:BAER) Analyst Carsten Menke konstatiert deshalb: "Die Hauptmotivation der PBoC besteht darin, weniger abhängig vom USD und – im Extremfall – weniger anfällig für US-Sanktionen zu sein".
Menke glaubt, dass China seine Reserven deshalb weiter diversifizieren wird. So würden "die geopolitischen Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen wahrscheinlich nicht so bald verschwinden".
Der Prozess der Diversifizierung könnte sich aber hinziehen. Heute besitzt China 72,8 Millionen Unzen Gold im Wert von rund 170 Milliarden Dollar. Eine Erhöhung des Anteils auf 10 % würde zu aktuellen Preisen rund 170 Milliarden USD kosten. Das Land brauchte neun Jahre, um den Anteil des Goldes an seinen Gesamtreserven von 1,8 % im Jahr 2015 auf 4,9 % zu steigern.
Der Goldpreis hat in dieser Woche ein Allzeithoch erreicht. Aktuell kostet eine Feinunze 2475 USD. Technisch gesehen ist der Preis damit aus einer seit April laufenden Konsolidierungsphase nach oben ausgebrochen.
Für den Preisanstieg werden unter Marktteilnehmern mehrere Erklärungen gehandelt. Zum einen rechnen die Anleger damit, dass die US-Notenbank Federal Reserve im September den lange erwarteten Zinssenkungszyklus einleiten wird. Auch die durch die Ereignisse am Wochenende gestiegene Wahrscheinlichkeit für eine erneute Wahl Donald Trumps als US-Präsident gilt als bullish für das Edelmetall.