Zentralbanken, die auf der Suche nach Möglichkeiten sind, den Kreditfluss bei anhaltend niedrigen Zinssätzen aufrechtzuerhalten, prüfen das in den letzten Jahren von der Bank of Japan betriebene aktive Zinskurvenmanagement.
Die japanische Zentralbank hält die Rendite ihrer 10-jährigen Staatsanleihe nahe bei Null, indem sie diese bei steigenden Renditen kauft. Die Renditen bewegen sich invers zum Anleihekurs, so dass die Käufe den Kurs erhöhen und die Rendite verringern.
Inzwischen befassen sich ebenfalls die Bank of England und die US-Notenbank Fed mit der Steuerung der Zinskurve als Alternative zu negativen Zinssätzen, die die Europäische Zentralbank einsetzt.
In Japan führt die Verankerung der 10-jährigen Anleihe dazu, dass die Renditekurve steiler wird, da Anleihen mit längeren Laufzeiten sich ungehindert der Nachfrage anpassen können. Die BOJ setzt bei Bedarf auch eine Forward Guidance ein. Das Ziel ist es, den enormen Schuldenberg Japans durch negative Realzinsen abzutragen und damit eine Explosion der Schulden zu verhindern.
BoJ-Chef Haruhiko Kuroda sagte letzte Woche nach der geldpolitischen Sitzung, die Zentralbank erachte "exzessive Rückgänge" der Renditen von 20- und 30-jährigen Staatsanleihen als "unerwünscht". Am nächsten Tag erhöhten sich die Rendite der Longbonds um einen Basispunkt.
Tatsächlich erwarten Analysten zunehmend steilere Zinskurven, da die Zentralbanken ihre Käufe auf das kürzere Ende konzentrieren und die Coronavirus-Ausgaben das Angebot an langfristigen Anleihen erhöhen. Händler nutzen dieses Phänomen, indem sie kurzlaufende Anleihen kaufen und langlaufende Anleihen verkaufen.
Dies gilt auch für deutsche Staatsanleihen (Bundesanleihen) im Zuge der untypischen defizitären Ausgaben Berlins. Analysten erwarten, dass auch britische Staatsanleihen (Gilts) Teil dieser Entwicklung werden.
Die Ausgaben für staatliche Konjunkturmaßnahmen in Japan belaufen sich auf etwa 234 Billionen Yen (2,2 Billionen Dollar), was 40% des BIP entspricht, und neue Anleiheemissionen werden zusätzliche Gelder bereitstellen. Da die BOJ die Rendite 10-jähriger Anleihen kontrolliert, werden die Händler diese mit den 30-jährigen Anleihen mit steileren Kurven kombinieren.
Wie viele Schulden kann sich ein Staat leisten?
Obwohl der Markt für japanische Staatsanleihen, JGBs, historisch gesehen einer der größten Märkte ist, hat die Kontrolle der Zentralbank über die Renditekurven dies eingeschränkt. Die Zentralbank besitzt jetzt etwa die Hälfte der im Umlauf befindlichen Staatsanleihen.
Dies ist nur eine der Anomalien auf dem JGB-Markt. Eine weitere: Japans Staatsverschuldung hat einen so beträchtlichen Umfang erreicht - etwa 250% des jährlichen BIP - dass Ökonomen befürchten, dass sie die Wirtschaft der asiatischen Nation erdrücken wird. Sie sagen dies jedoch schon seit Jahren voraus und behaupten, Japan könne dem Gesetz der Schwerkraft nicht ewig trotzen.
Wie viele Schulden sich Staaten leisten können und unter welchen Umständen sie eine Volkswirtschaft erdrücken werden, ist nun jedoch Gegenstand einer Debatte, nachdem man jahrzehntelang bemüht war, die Verschuldung auf 60% des BIP oder eine andere Zahl zu begrenzen, die zunehmend zufällig und kaum noch absolut zu sein scheint. Mit anderen Worten, diese vermeintliche Schwerkraft ist vielleicht kein Naturgesetz.
Der JGB-Markt erhält einen Großteil seiner Unterstützung durch eine weitere Anomalie - etwa 90% der Anleihen werden von inländischen Anlegern gekauft, darunter viele Privatanleger und risikoaverse Institutionen, die die Stabilität der Staatsanleihen risikoreicheren Anlagen mit höheren Renditen vorziehen.
Jedenfalls sind die Japaner im Schuldenwettlauf mit Abstand die Spitzenreiter. Die USA und Europa steigern Defizite und Schulden gerade jetzt auf neue Höhen und geben Billionen aus, um der Coronavirus-Pandemie Herr zu werden.
Es ist bezeichnend, dass Japan mit seinem stratosphärischen Schuldenberg keineswegs ein geschasstes Anlageziel ist, sondern zu den sicheren Häfen gehört, die von Anlegern gesucht werden, wenn die Märkte in Schieflage geraten. Neuerliche Ausbrüche von COVID-19 in China und die Aussicht auf eine zweite Welle in Asien haben die internationale Investitionsstimmung bereits in Richtung des Yens und der JGBs gelenkt.
Dies trieb die Kurse der 10-jährigen japanischen Anleihen am Montag einen Tick nach oben, als die Rendite um einen halben Basispunkt auf 0,005% fiel. Die Renditen der 20-jährigen Anleihen fielen ebenfalls, während die 30-jährige Rendite stabil blieb.
Auch wenn es merkwürdig sein mag, gibt uns der JGB-Markt eine klare Vorstellung davon, wohin sich die Märkte für Staatsanleihen weltweit wahrscheinlich entwickeln werden, und vielleicht sogar davon, was bald die neue Normalität in diesem Markt sein könnte.