FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 15. Oktober 2014. Während der DAX weiter fällt, halten Anleger an ihren Positionen fest. Diese Scheu vor realisierten Verlusten könnte dem Markt gefährlich werden.
Wenn man sich das heutige Stimmungsbild der mittelfristig orientierten Anleger zu Gemüte führt, könnte man fast den Eindruck gewinnen, sie seien heute wegen des Streiks der Lokführer zu Hause geblieben. Vielleicht sind sie aber auch selbst in Streik getreten, denn es ist schon erstaunlich, dass sich trotz eines neuerlichen deutlichen Kursverlustes des DAX - dieses Mal war es ein Minus von 2,5 Prozent im Wochenvergleich - die Stimmung kaum verändert hat. Der Anteil der Optimisten ist genauso hoch wie bei unserer vergangenen Erhebung, womit sich der Börse Frankfurt Sentiment-Index mit einem Wert von +12 nun die vierte Woche in Folge fast auf gleich hohem Niveau bewegt, zuletzt ist er sogar leicht angestiegen.
Diese Entwicklung ist jedoch keinen Zukäufen der Akteure in die DAX-Schwäche, sondern einem leichten Rückgang des Bärenlagers geschuldet. Anders ausgedrückt: Das Gros der Optimisten hat per Saldo einem Kurssturz des DAX von mehr als 8 Prozent tatenlos zugesehen.
Damit muss man sich eigentlich schon fast die Frage stellen, woher die mittelfristig agierenden Investoren eigentlich die innere Stärke nehmen, sich fast regungslos gegen den zumindest kurzfristig abwärts gerichteten Trend des DAX zu stellen. Denn die Zahl derer, die in den kommenden zwölf Monaten eine Verbesserung der globalen Wirtschaftslage erwartet, ist während der vergangenen Wochen deutlich gesunken. Dies zeigt etwa eine Umfrage unter internationalen Fondsmanagern von BofA Merrill Lynch, bei der sich per Saldo gerade einmal noch 32 Prozent der Befragten für ein positives Szenario erwärmen konnten. Und gar 77 Prozent der Fondsmanager gehen mittlerweile davon aus, dass Inflation und Wachstum unter ihrem Trend liegen werden. Auch die schwache technische Seite des Aktienmarktes, die für den DAX ein klares Distributionsmuster aufweist, scheint die Börsianer derzeit nicht sonderlich zu beeindrucken. Man rechnet gar mit einem Fehlsignal.
Möglicherweise haben sich die Akteure aber auch von John Williams Worten beruhigen lassen. Der Chef der Fed von San Francisco - er ist auch Mitglied des Offenmarktausschusses der US-Notenbank - ließ nämlich gestern durchblicken, dass man im Falle anhaltend niedriger Inflationsraten sogar ein neuerliches Anleihekaufprogramm in Betracht ziehen müsse.
Durchhalten scheint auch Maxime der Privatanleger
Bei den Privatanlegern ergibt sich ein ähnliches Bild. Hier stellen die Optimisten mit 51 Prozent der Befragten sogar eine absolute Mehrheit. Zwar hat sich die Polarisierung zwischen ihnen und den Pessimisten etwas verringert, aber der Börse Frankfurt Sentiment-Index liegt mit +18 per Saldo sogar einen Punkt höher über dem Wert der Vorwoche und übertrifft damit den bei den institutionellen Anlegern ermittelten Wert. Auch in diesem Panel scheint also die Neigung, die teilweise hohen Kursverluste zu realisieren, derzeit ausgesprochen gering zu sein.
Mit den weiter gefallenen Aktienkursen hat sich der in der Vorwoche bereits von uns festgestellte Bias nicht verringert: Die zum Teil bereits vor einem Monat eingegangenen bullishen Engagements bestehen immer noch und dürften den DAX noch länger belasten, zumal einige der Einstandspreise sehr weit vom derzeitigen Kursniveau entfernt liegen. Überdies hat sich die Vermutung bestätigt, dass ausländische Fondsmanager europäischen Aktien zuletzt erneut den Rücken kehrten und (vgl. Fondsmanagerumfrage BofA Merrill Lynch) nur wenige unter ihnen beabsichtigen, in den kommenden zwölf Monaten europäische Aktien in ihren Portfolien überzugewichten. Insofern darf auch von dieser Seite auf keine Hilfe für den Dax gehofft werden; es droht vielmehr als weitere Gefahr, dass die heimischen Investoren doch noch die Geduld verlieren, womöglich kapitulieren und sich von ihren schal gewordenen Engagements verabschieden.
Sie können sich kostenlos für unseren täglichen Newsletter per E-Mail anmelden. Registrieren Sie sich bei www.boerse-frankfurt.de/newsletter.
von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 15. Oktober 2014
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)