Es gilt gemeinhin als der kleine Bruder des Golds und wird deshalb leicht übersehen: das Silber. Zu Unrecht, denn durch die beständige Vernachlässigung ergeben sich auch immer wieder Chancen. Sie sind oftmals nicht auf den ersten Blick zu erkennen, doch vorhanden sind sie auf jeden Fall.
Deutlich werden sie nicht primär am Kurs des Silbers, sondern an seinem relativen Preis zum Gold. Dieser ist schon seit einiger Zeit ausgesprochen niedrig. Ausgedrückt wird dies im Gold-Silber-Verhältnis. Es gibt an, wie viele Unzen Silber man auf den Tisch legen muss, um eine Unze Gold zu erwerben.
Ist die Zahl hoch, so muss viel Silber aufgewendet werden, um wenig Gold zu kaufen, ist sie niedrig, ist das Silber im Verhältnis zum Gold vergleichsweise teuer. Sind wie im Herbst 2016 70 oder mehr Unzen Silber für eine Unze Gold zu bezahlen, ist das Silber preiswert. Im Herbst 2018 ist das Silber noch teurer, denn heute müssen 81 Unzen Silber auf den Tisch gelegt werden, um eine Unze Silber zu kaufen.
Unter 40 Unzen beginnt die Zone, in der das Silber teuer wird und das Gold das vergleichsweise günstigere Edelmetall ist. Dieser Zustand war im April 2011 gegeben, als der Silberpreis kurzfristig sein Allzeithoch erreichte. Der langjährige Durchschnitt des Gold-Silber-Verhältnisses lag in den letzten 25 Jahren jedoch im Bereich zwischen 50 und 60.
Verzerrte Geologie und verzerrter Verbrauch
Geologisch betrachtet ist Silber in den oberen Schichten der Erdkruste 17 Mal häufiger anzutreffen als Gold. Dass das Gold auch in normalen Zeiten rund 55 Mal teurer sein soll als Silber, ist vor diesen natürlichen Hintergrund zunächst einmal nur sehr schwer nachzuvollziehen.
Der Preisaufschlag beim Gold wäre leichter zu verstehen, wenn das Gold gegenüber dem Silber das Edelmetall mit der höheren Nachfrage wäre. Das trifft aber nur bedingt zu. Gold wird gekauft, um als wertvolles Metall gehortet zu werden. Beim Silber gibt es hingegen einen echten Verbrauch.
Die Anzahl der industriellen Anwendungen für Gold ist überschaubar. Sie ist gewiss nicht der Grund, warum so viel Gold gefördert wird. Außerdem gibt es noch das seit der Antike geförderte Gold. Es ging anders als beim Silber nicht verloren und stünde somit zumindest theoretisch für jene industrielle Anwendungen zur Verfügung, die Gold benötigen.
Beim Silber liegen die Dinge anders. Der physische Bestand, auf den man bei einem Mangel zurückgreifen kann, ist ausgesprochen gering. Er wurde in den vergangenen 50 Jahren nicht wie beim Gold weiter ausgebaut, sondern massiv abgeschmolzen. Hinzu kommt, dass der Anteil des Silbers das über Recyclingverfahren wiedergewonnen wird, in der vergangenen Dekaden kleiner geworden ist, weil die analoge Fotographie als wichtigste Recyclingquelle mit dem Einzug der Digitalkameras massiv an Bedeutung verloren hat.
Aus dem Missverhältnis als Investor Vorteile ziehen
Man kann heute vorzüglich darüber streiten, ob ein durchschnittliches Gold-Silber-Verhältnis von 55 den geologischen Grundlagen und der Nachfragesituation an den Märkten wirklich gerecht wird. Egal, wie man diese Frage beantwortet: Fest steht auf jeden Fall, dass das Silber im Verhältnis zum Gold kaum massiv überbewertet ist, wenn das nur 17 Mal seltenere Gold den 55-fachen Preis kostet.
Vor allem jene Anleger, die Gold und Silber physisch erwerben, gewinnen hierdurch einen Vorteil. Selbst wenn sie das Silber kurzfristig betrachtet zu teuer einkaufen, ist ihr Kauf langfristig betrachtet dennoch zu einem vergleichsweise günstigen Zeitpunkt erfolgt.
Anleger, denen es zusätzlich noch gelingt, gegen den Strom zu schwimmen und die das Silber besonders dann kaufen, wenn es verglichen mit dem Gold ausgesprochen günstig ist, haben gleich mehrere Vorteile auf ihrer Seite. Sie kaufen ein ohnehin sehr preiswertes Edelmetall noch einmal mit einem relativen Abschlag ein.
Viel schiefgehen kann dann anschließend kaum noch, denn auf dem heutigen Niveau ist das Silber gewiss eines nicht: überteuert und in einer Blase. Wer um diesen Sachverhalt weiß, der greift bei einem Gold-Silber-Verhältnis von 80 und höher gerne zu – und zwar beim Silber, nicht beim Gold.
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Ein Beitrag von Dr. Bernd Heim.