(neu: mehr Analysten, neuer Aktienkurs und mehr Hintergrund)
FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Die Aktionäre der Deutschen Börse (4:DB1Gn) versprechen sich viel von einem neuen Chef. Nachdem am Vortag Amtsinhaber Carsten Kengeter angesichts der laufenden Insiderermittlungen seinen Rücktritt angekündigt hatte, ging es für die Aktie des Börsenbetreibers am Freitag bergauf. Zuletzt lag das Papier 1,6 Prozent im Plus und gehörte damit zu den besten Dax-Werten. Eine maue Geschäftsentwicklung im dritten Quartal und praktisch aufgegebene Jahresziele rückten in den Hintergrund.
"Die Personalie rund um den Vorstandsvorsitz lässt bei vielen Akteuren Kursphantasie erwachen", sagte Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect. Die Investoren nähmen an, dass neuer Schwung in das "leicht verstaubte Unternehmen" kommen könnte. Es gelte der Spruch "Neue Besen kehren gut".
Konzernchef Carsten Kengeter tritt zum Jahresende zurück. Hintergrund sind Ermittlungen wegen des Verdachts des Insiderhandels im Zusammenhang mit der gescheiterten Fusion mit der Londoner Börse. Kengeter selbst begründete seinen Schritt damit, dass er die Deutsche Börse vor Schaden schützen und den Weg für einen Neuanfang freimachen wolle.
Deutsche-Bank-Analyst Benjamin Goy erklärte, dass mit dem Rücktritt und der bereits von vielen Experten erwarteten Prognosesenkung zwei gewichtige Lasten von der Aktie gefallen seien. Nun dürfte sich der Fokus wieder auf die Wachstumspläne und Kostensenkungen des Börsenbetreibers richten. Mit dem stellvertretenden Vorstandschef Andreas Preuß sowie Finanzvorstand Gregor Pottmeyer stünden zwei gute interne Kandidaten für den Chefposten bereit.
Zuletzt waren die Stimmen unter Investoren lauter geworden, die Kengeters Abgang gefordert hatten. Der Versuch, eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen eine Geldzahlung zu erreichen, war Anfang der Woche am Widerstand des Frankfurter Amtsgerichts gescheitert.
Trotz der monatelangen Unsicherheit gehört die Aktie der Deutschen Börse zu den besten Werten in diesem Jahr im Dax. Das Plus lag am Freitagmittag bei 21 Prozent, während der deutsche Leitindex seit Jahresbeginn um "lediglich" 15 Prozent gestiegen war. Das Papier der Deutschen Börse kostet mit gut 92 Euro sogar mehr als zu jenen Zeiten, als noch eine Fusion mit der Londoner Börse möglich schien.
Vom Rekordhoch bei 136 Euro, das im Juni erreicht worden war, ist die Aktie indes wieder ein ganzes Stück zurückgefallen. Die seit Monaten bestehende Unlust vieler Anleger, am Kapitalmarkt zu handeln, hat ihre Spuren auch in den Bilanzen des Börsenbetreibers hinterlassen. Am Vortag musste Finanzchef Gregor Pottmeyer einräumen, dass die Deutsche Börse die Ziele für das Gesamtjahr 2017 "sehr wahrscheinlich" nicht ganz erreichen werde. Barclays-Analyst Daniel Garrod hob aber positiv hervor, dass die Ziele für die beiden kommenden Jahre bestätigt wurden.
Die Deutsche Börse wuchs zwar bis zuletzt, allerdings eher auf Sparflamme. Für die Analysten kam die Warnung vor einem möglichen Verfehlen der Jahresziele deshalb wenig überraschend. Keiner der vom dpa-AFX Analyser beobachteten Experten änderte am Donnerstag und Freitag seine Einstellung zu der Aktie, die neutral bis positiv ist mit Kurszielen von 100 Euro und mehr.