- von Patricia Uhlig und Christoph Steitz
Frankfurt (Reuters) - Der graue Container wirkt deplatziert auf dem kargen Gelände am Rand des Industrieparks in Frankfurt Höchst.
Umrandet von einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun gleicht er einem Hochsicherheitstrakt. Doch der Eigentümer hat guten Grund, den 110 Kubikmeter großen Blechkasten einzuschließen. Denn in seinem Innern entstehen Bitcoin. Rund um die Uhr berechnen 39.690 hochleistungsfähige IT-Chips komplexe Algorithmen und fressen riesige Mengen an Strom.
Weil dieser teuer ist in Deutschland, ist Höchst nur eine Teststation für die Firma Northern Bitcoin. Jede Woche stellen die Frankfurter zurzeit in einem unterirdischen Rechenzentrum in Norwegen zwei Container auf, in denen Bitcoin produziert werden. "Norwegen bezieht 95 Prozent seines Stroms aus Wasserkraft und bietet somit nicht nur Zugang zu besonders günstigem, sondern auch nachhaltigem Strom in großen Mengen", sagt Northern-Bitcoin-Chef Mathis Schultz.
Skandinavien und seine "grüne Energie" ist schwer beliebt in der Branche, die die Bitcoin-Herstellung auch "Mining" oder "Schürfen" nennt. Vor allem die großen Bitcoin-Schürfer aus China zieht es dorthin, da die dortige Regierung dem Mining mehr und mehr den Riegel vorschiebt. So sucht die chinesische Bitmain Insidern zufolge händeringend Ökostrom-Kapazitäten in Schweden und Norwegen. Ihr heimischer Rivale Canaan schloss 2017 einen Vertrag mit dem schwedischen Energieriesen Vattenfall. "Das ist ein wahres Wettrüsten im Moment", sagt Olivier Roussy Newton, Mitgründer der kanadischen Gruppe Hive, die seit Januar in Schweden die Kryptowährung Ethereum produziert. "Wir wolle alle weltweit so viel Strom sichern wie es nur geht."
Die Massen an Strom, die für die Produktion der Cyberdevise benötigt werden, sind gigantisch. Analysten von Morgan Stanley (NYSE:MS) schätzen, dass allein 2018 rund 130 Terrawattstunden verbraucht werden. Das entspreche in etwa dem Stromverbrauch von ganz Argentinien und sei mehr, als die weltweite Elektroautobranche bis 2025 voraussichtlich braucht. In Island, das wegen seines reichlich vorhandenen Ökostroms aus Erdwärme schon seit Jahren von Bitcoin-Enthusiasten bevölkert wird, ziehen die Miner Medienberichten zufolge bereits mehr Strom als alle Privathaushalte der Insel zusammen.
BITCOIN-CHIPS ARBEITEN AUF HOCHTOUREN
Das Mining verschlingt so viel Energie, weil die IT-Chips, die die Bitcoin berechnen, rund um die Uhr auf Höchstleistung arbeiten. Das erzeugt viel Hitze, weshalb die Kühlung der Geräte sehr wichtig ist. Findet ein Miner das Ergebnis des Algorithmus, bekommt er 12,5 Bitcoin zugeteilt. Alle zehn Minuten werden so virtuelle Münzen in das Bitcoin-System eingespeist. Die maximal mögliche Menge an Bitcoin wurde bei dessen Geburt vor zehn Jahren von den Erfindern auf 21 Millionen Stück festgelegt. Im Umlauf sind derzeit 16,9 Millionen, je mehr hinzu kommen, desto komplexer werden die Aufgaben, die es zu entschlüsseln gilt, und desto mehr Strom frisst die Prozedur.
Die Kursexplosion bei Bitcoin - fast 2000 Prozent in nur einem Jahr - hatte 2017 den Hype um die Cyberdevise immer weiter angefacht. Bis auf 20.000 Dollar schnellte der Preis nach oben, ehe es Anfang 2018 wieder steil bergab ging. Derzeit kostet ein Bitcoin rund 8500 Dollar, umgerechnet rund 6700 Euro.
Trotz des Preiseinbruchs ist das Mining der Cyberdevise noch hochprofitabel, wie der Co-Chef von Hydrominer, Michael Marcovici, erklärt. Die österreichische Firma nutzt Wasserkraft aus den Alpen und muss nur fünf Cent für eine Kilowattstunde Strom aufbringen. Jeder Bitcoin, den Hydrominer in seinen Lagerhallen herstellt, koste rund 1000 Euro, rechnet Marcovici vor. Hinzu kämen Gerätekosten und andere Fixkosten.
NICHT ALLE VERSORGER OFFEN GEGENÜBER BITCOIN
Alles in allem belaufen sich die Herstellungskosten für einen Bitcoin abhängig von den Stromkosten auf 2500 bis 5500 Euro, erläutern der US-Bank Morgan Stanley in einer Studie. Auch in Schweden, Island und Norwegen kostet Strom für Firmen laut Eurostat mit rund sechs Cent pro Kilowattstunde nur halb so viel wie in Deutschland. "In Deutschland lohnt sich Bitcoin-Mining schon lange nicht mehr", sagt der Firmenchef eines deutschen Bitcoin-Miners, der die virtuellen Münzen in Island und Schweden produziert. Wie profitabel das Geschäft bleibe, hänge auch davon ab, wie rasch sich die Technologie der Bitcoin-Chips entwickele.
Grundsätzlich seien Energielieferanten aufgeschlossen gegenüber den Bitcoin-Unternehmen aus China, erläutert Bill Tai, Vorstand beim Miningkonzern Bitfury. Vattenfall verspricht sich von dem Kryptowährungs-Geschäft zusätzliche Einnahmequellen und schließt weitere Transaktionen mit Bitcoin-Minern nicht aus. Der italienische Energieversorger Enel (MI:ENEI) ließ dagegen die nach billigem Strom gierenden Bitcoin-Schürfer abblitzen. Das Bereitstellen von Energie für das Produzieren der Cyberdevise passe nicht zur Firmenstrategie, erklärte Enel.