Berlin (Reuters) - Zwei Wochen vor der Bundestagswahl verschärfen die etablierten Parteien ihre Kritik an der Alternative für Deutschland.
"Was die AfD macht, ist die systematische Herabwürdigung von Menschen und Bevölkerungsgruppen", sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Montag in Berlin. "Diese Partei ist keine Alternative für Deutschland, sie ist eine Schande für die deutsche Nation." Schulz und Bundesjustizminister Heiko Maas warfen der AfD vor, Teile ihres Wahlprogramms seien verfassungsfeindlich. CSU-Chef Horst Seehofer sprach sich dafür aus, die Rechtspopulisten zu ignorieren. "Ich glaube, dass die AfD in den letzten Tagen von allen, auch von den Medien, einfach überhöht wurde", sagte Seehofer in München. "Das sind doch alles Provokationen, und man sollte auf Provokationen in der Politik nicht hereinfallen."
Jüngste Entwicklung ist eine angebliche E-Mail von AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel aus dem Jahr 2013. Wie die "Welt am Sonntag" berichtete, soll Weidel darin rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen gemacht haben. "Der Grund, warum wir von kulturfremden Voelkern wie Arabern, Sinti und Roma etc ueberschwemmt werden, ist die systematische Zerstoerung der buergerlichen Gesellschaft als moegliches Gegengewicht von Verfassungsfeinden, von denen wir regiert werden", wird daraus zitiert. Die AfD wies die Darstellung zurück, dass Weidel die E-Mail geschrieben habe. Weidel ließ den Bericht laut "Welt" über einen Anwalt zurückweisen. Nach Umfragen könnte die AfD bei der Wahl am 24. September drittstärkste Kraft werden.
"NICHT VEREINBAR MIT UNSERER VERFASSUNG
SPD-Chef Schulz sagte, er könne nicht beurteilen, ob die E-Mail von Weidel authentisch sei. Er betonte aber, bei der AfD werde "nicht zum ersten Mal völkische Rhetorik" gewählt, die "rechtsextremistisch" sei. "Ich glaube sehr wohl, dass Teile der Rhetorik der AfD nicht vereinbar sind mit unserer Verfassung." Ähnlich äußerte sich Maas: "Mit der AfD könnte erstmals seit 1949 eine Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, deren Programm in Teilen verfassungswidrig ist", schrieb der SPD-Politiker in der "Frankfurter Rundschau". Ihre Religions-, Familien-, Strafrechts- und Europa-Politik verletzte die Grundgesetz-Artikel 1, 3, 4 und 23. AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland nannte die Kritik "grotesk".
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, sowohl von Partei-Chefin Angela Merkel als auch von ihm sei zur AfD alles gesagt. "In Erinnerung an den Wahlkampf in den USA werde ich manchen nicht den Gefallen tun, nur über Fake News und Provokationen zu reden." Er werde stattdessen über Inhalte und das Wahlprogramm reden. Auch Seehofer sagte, die Rechtspopulisten stünden für ihn nicht im Mittelpunkt der nächsten zwei Wochen, "sondern das klare Profil der Union". Als Kernthemen nannte er "Sicherheit und Ordnung" sowie "Vollbeschäftigung und Gerechtigkeit".
FDP-Chef Christian Lindner sagte, die AfD sei eine "völkisch-autoritäre Partei". Sie habe im Zentrum ihres Denkens die Vorstellung, dass das deutsche Volk eine "ethnisch religiöse kulturelle Einheit" sei, die vor Überfremdung geschützt werden müsse. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) führte den Aufschwung der AfD auch auf den Wahlkampf zurück: "Die Ereignisse der letzten Wochen, die unterdrückte Debatte über die Flüchtlingskrise und die Terroranschläge in europäischen Städten haben dazu geführt, dass sich viele Menschen offenbar mit dem Gedanken tragen, die AfD zu wählen", sagte Gabriel bei t-online.de.