(neu: Neue Aufmachung, zweite Anhörung geplant)
BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der designierte EU-Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici will bei europäischen Defizitsündern durchgreifen - auch in seiner Heimat Frankreich. Falls ein Land, "groß oder klein", die Schuldenregeln nicht einhalte oder Sanierungsschritte versäume, werde er das vorgesehene Defizitverfahren einleiten, versprach der Sozialist am Donnerstag bei seiner Anhörung im Europaparlament. Konservative Politiker werfen dem Vertrauten von Staatspräsident François Hollande aber vor, in seinen zwei Jahren als Finanzminister Frankreichs eine laxe Etatpolitik betrieben zu haben.
Wie schon der konservative Brite Jonathan Hill bekommt Moscovici massiven Widerstand zu spüren. Vertreter aller Fraktionen außer den Sozialdemokraten erwarten weitere schriftliche Antworten von ihm - und ein zweites Hearing, wie ein Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP) der Nachrichtenagentur dpa sagte.
Im Streit um das zu hohe französische Haushaltsdefizit warnte Moscovici in deutlichen Worten die Regierung in Paris, der er bis vor sechs Monaten angehörte, vor Alleingängen. "Nicht eine einzelne Regierung, sondern die Europäische Kommission entscheidet darüber, ob ein Aufschub eingeräumt wird." Der Konflikt um das Defizit ist politisch extrem delikat, weil Paris bereits zweimal einen EU-Aufschub bekam.
Die Regierung will die Defizitmarke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung erst 2017 einhalten - zwei Jahre später als mit den EU-Partnern vereinbart. Im laufenden Defizitstrafverfahren drohen Milliardenstrafen, die aber in der Praxis noch nie verhängt wurden. Premier Manuel Valls sagte Mitte September, in Budgetfragen entscheide Frankreich alleine.
Moscovici ging im Detail nicht auf den Haushalt ein. Er wies Vorwürfe zurück, er habe als Finanzminister in Paris das Defizit nicht in den Griff bekommen. Während seiner Amtszeit von 2012 bis 2014 sei die Neuverschuldung von über 5 Prozent auf 4,1 Prozent gesunken, sagte er.
Moscovicis EU-Amtsvorgänger Jyrki Katainen aus Finnland beginnt von Mitte des Monats an mit der Prüfung der Budgets der Mitgliedsländer für das kommende Jahr. Falls die neue Kommission von Präsident Jean-Claude Juncker pünktlich zum 1. November übernimmt, muss sie sich dann im Detail dazu äußern. Katainen wird in der neuen Kommission einer der Vizepräsidenten sein.
Moscovici erteilte einer gemeinsamen europäischen Schuldenpolitik für die absehbare Zukunft eine Absage. Sogenannte Eurobonds seien während seines bis 2019 laufenden Mandats "nicht aktuell". Da er auch für Steuern zuständig ist, will der Franzose das Vorhaben einer europäischen Steuer auf Finanztransaktionen weiter vorantreiben. Dazu hatten sich elf Länder unter Führung Deutschlands und Frankreichs zusammengeschlossen.
Der designierte Finanzmarktkommissar Hill muss nächste Woche zu einem zweiten Parlamentshearing erscheinen. Heftige Vorwürfen ist auch der designierte EU-Klima- und Energiekommissar Miguel Arias Cañete aus Spanien ausgesetzt.
Eine Sprecherin Junckers teilte mit, er sei zufrieden mit den Anhörungen. Dabei seien Cañete und Hill eingeschlossen. Die Hearings werden nächste Woche fortgesetzt werden. Das Europaparlament muss die gesamte Juncker-Kommission noch billigen.ha