Köln/Berlin (Reuters) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinen umstrittenen Staatsbesuch in Deutschland als Erfolg bewertet.
Dieser sei "fruchtbar und erfolgreich" gewesen, sagte Erdogan am Samstag bei der Eröffnung einer Moschee in Köln zum Abschluss seines dreitägigen Besuchs. Die Gespräche hätten "die deutsch-türkische Freundschaft gestärkt". Man müsse Differenzen überwinden und sich auf gemeinsame Interessen konzentrieren. Zahlreiche Politiker hatten gegenüber Erdogan eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei angemahnt. Ex-Grünenchef Cem Özdemir sagte dem Redaktionsnetzwerk RND: "Von Normalität sind beide Länder genauso weit entfernt wie vor dem Besuch."
Mit Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe er gute Gespräche geführt, sagte Erdogan. Es gebe zahlreiche Bereiche, wie die Wirtschaft, in denen die gemeinsamen Beziehungen ausgebaut werden könnten. Er habe auch "bekannte deutsche Investoren" getroffen. Erdogan sucht die Wiederannäherung an Deutschland auch, weil sein Land unter wirtschaftlichem Druck steht und Konflikte mit den USA austrägt.
Der türkische Präsident warb zudem für die doppelte Staatsbürgerschaft und sagte, seine in Deutschland lebenden Landsleute sollten nicht assimiliert werden. Stattdessen gehe es um eine gleichberechtigte Integration. Dabei kritisierte er den Umgang mit dem Fußballer Mesut Özil. Er könne nicht verstehen, dass dieser "ausgestoßen" worden sei. Ein Foto Özils mit Erdogan kurz vor der Fußball-WM und den Präsidentenwahlen in der Türkei war der Ausgangspunkt der Debatte um den Fußballer, die zum Rücktritt Özils aus der Nationalelf führte.
Im Laufe des Besuchs war es auch zu harschen Tönen gekommen. Bei einem Staatsbankett im Schloss Bellevue warf Erdogan der Bundesrepublik am Freitag vor, "Terroristen" zu unterstützen. Steinmeier hatte zuvor in seiner Tischrede die Bedeutung der Beziehungen zur Türkei gewürdigt, gleichzeitig aber die Lage der Menschenrechte in dem Land angesprochen. Nachmittags zuvor hatte Merkel von "tiefgreifenden Differenzen" mit der Türkei mit Blick auf die Pressefreiheit und die Rechtsstaatlichkeit gesprochen. Erdogan warf dem in Deutschland im Exil lebenden prominenten und regimekritischen Journalisten Can Dündar vor, er habe Staatsgeheimnisse verraten und gehöre in der Türkei in Haft. Eine Auslieferung lehnt die Bundesregierung ab.
Regierungssprecher Steffen Seibert verteidigte den Rauswurf eines Journalisten aus der laufenden Pressekonferenz von Merkel und Erdogan am Freitag. Dieser hatte ein T-Shirt mit der Aufschrift "Freiheit für Journalisten" angezogen und war in die erste Reihe gegangen. Durch die Aktion des Mannes sei "eine starke Unruhe" entstanden, sagte Seibert der "Bild am Sonntag". Das sei nicht hinnehmbar. Deshalb habe er veranlasst, dass Personenschützer den Journalisten hinaus beförderten.
LASCHET: IMMER NOCH DEUTSCHE IN TÜRKISCHER HAFT
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) forderte von Erdogan die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei. "Ein Rechtsstaat, der die Menschenrechte wahrt und den Werten der Demokratie Rechnung trägt, ist im Interesse aller - auch der türkischen Regierung", mahnte Laschet nach einem einstündigen Gespräch mit Erdogan am Samstag. Er habe "sehr konkrete Fälle von Deutschen angesprochen, die immer noch in türkischen Gefängnissen festgehalten werden". Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sagte Reuters, es sei wichtig, mit Erdogan im Gespräch zu bleiben: "Das Format eines Staatsbesuchs aber hat in die türkische Öffentlichkeit hinein eine Normalisierung suggeriert, die es derzeit nicht geben kann."
Erdogan war am Samstag in Berlin zu einem Arbeitsfrühstück mit Merkel zusammengekommen, bevor er nach Köln flog. In der Domstadt demonstrierten Gegner und Anhänger des türkischen Präsidenten. Der Polizei zufolge kam es zu kleineren Rangeleien zwischen Anhängern beider Lager. Diese seien aber sofort von der Polizei getrennt worden. Die Polizei hatte Beamte aus mehreren Bundesländern und der Bundespolizei zu einem der größten Einsätze seit Jahren zusammengezogen. Eine Kundgebung von Erdogan-Anhängern vor der Moschee untersagte die Stadt aus Sicherheitsgründen. Bei seinem Besuch drängelten sich zahlreiche Anhänger hinter Polizeisperren in Straßen nahe der Moschee.