(neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz, Aktienkurs aktualisiert.)
KÖLN (dpa-AFX) - Der ins Schlingern geratene Spezialchemiekonzern Lanxess (XETRA:LXSG) hat für sein Kautschukgeschäft schneller als erwartet einen Partner gefunden. Mit dem saudischen Ölkonzern Saudi Aramco solle das Geschäft mit synthetisch hergestelltem Kautschuk künftig gemeinsam betrieben werden, teilte der Dax (DAX)-Absteiger am Dienstag in Köln mit. Der Deal soll Lanxess mehr als eine Milliarde Euro in die Kasse spülen. Der Konzern werde dadurch wieder auf Wachstumskurs gehen und faktisch schuldenfrei, wie Konzernchef Matthias Zachert sagte.
Saudi Aramco erwerbe 50 Prozent der Geschäfte mit einem Jahresumsatz von zuletzt gut drei Milliarden Euro und zahle nach Abzug von Schulden rund 1,2 Milliarden Euro in bar. Lanxess behalte den Rest der Anteile und übernehme die operative Führung. Ein Abschluss der Transaktion sei im ersten Halbjahr 2016 zu erwarten, wenn die Behörden zustimmen. Lanxess-Aktien zogen nach Verlusten am Morgen zuletzt in einem schwachen Umfeld um 2,58 Prozent an.
MIT FRISCHEM GELD WIRD LANXESS FAKTISCH SCHULDENFREI
"Mit dem sich bietenden finanziellen Spielraum können wir deutlich früher als erwartet wieder den Wachstumskurs einschlagen", sagte Vorstandschef Zachert. Er sprach gar von einem "Befreiungsschlag". Denn zwei Weltmarktführer kämen nun zusammen mit einer entsprechenden Schlagkraft. Für drei Jahre werde das Gemeinschaftsunternehmen aber noch voll in die Bilanz von Lanxess einfließen. Das Risiko werde aber geteilt und ruhe auf zwei starken Schultern. Erst danach erfolge eine anteilige Anrechnung. In den nächsten vier bis fünf Jahren werde eine vollständige Wertschöpfungskette - vom Ölbohrloch bis zum Kautschukendprodukt - aufgebaut. Damit schließt der Konzern eine Lücke zu den Wettbewerbern.
Das frische Geld will Lanxess zum Schuldenabbau und für Wachstumsprojekte im Spezialchemiegeschäft einsetzen. Auch die Aktionäre sollen durch Aktienrückkäufe in Höhe von rund 200 Millionen Euro daran beteiligt werden. Etwa 400 Millionen Euro will Zachert für Wachstumsinvestitionen in die weniger zyklischen Spezialchemiegeschäfte (Advanced Intermediates und Performance Chemicals) stecken. Dazu soll es im November nähere Einzelheiten geben. Weitere rund 400 Millionen Euro sollen zur Schuldentilgung verwendet werden. Lanxess werde im kommenden Jahr so faktisch schuldenfrei sein, sagte Zachert.
Die Partnerschaft sei langfristig angelegt und vertraglich für fünf Jahre fixiert, erklärte Zachert. Zug um Zug soll Aramco die Rohstoffversorgung übernehmen. Lanxess ist Weltmarktführer bei Kautschuk und bringt insgesamt 20 Werke in neun Ländern mit rund 3700 Mitarbeitern in das Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in den Niederlanden ein. Lanxess sichere sich so einen direkten Zugang zu den strategisch wichtigen Rohstoffen wie Öl und Gas. So könne Lanxess seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken. Rohstoffe stünden für rund 70 Prozent der Produktionskosten.
WOHL WICHTIGSTE ETAPPE DER NEUAUSRICHTUNG BEWÄLTIGT
Die Autokrise in Europa und selbst geschaffene Überkapazitäten hatten bei Kautschuk einen scharfen Preisverfall ausgelöst. Die hohe Abhängigkeit von der Auto- und Reifenindustrie hatte Lanxess unter Zugzwang gesetzt. Mit Stellenstreichungen und einem Umbau der Produktion steuerte der Konzern mit zuletzt weltweit rund 16 300 Mitarbeitern gegen. Nach dem Abbau von weltweit rund 1000 Stellen in der Verwaltung im ersten Jahr setzte Zachert den Rotstift zuletzt auch in der Produktion an.
"Mit dem Joint Venture für das Kautschukgeschäft haben wir nun die wohl wichtigste Etappe unserer Neuausrichtung bewältigt - mit dem bestmöglichen Partner und in sehr kurzer Zeit", sagte Zachert. In nur etwas mehr als einem Jahr sei eine völlig neue strategische Ausgangssituation geschaffen worden. Lanxess habe die Verwaltungs- und Geschäftsbereiche verschlankt und viele Produktionsstrukturen und -prozesse effizienter gestaltet. Lanxess sei wieder auf Kurs.