MANNHEIM (dpa-AFX) - Der Wechsel in der Industrie hin zu klimafreundlichen Anlagen spielt Bilfinger (ETR:GBFG) wohl noch für Jahre in die Hände. Der Chef des Industriedienstleisters rechnet auch nach einem Erreichen der Klimaziele mit reichlich Aufträgen. "Die Optimierungen der Anlagen wird noch Jahrzehnte dauern", sagte Thomas Schulz am Montagabend in Frankfurt vor Journalisten. Es gebe viel zu tun. Auch neue Technik müsse instand gehalten werden. Zugleich profitiere Bilfinger von stark schwankenden Energiepreisen.
"Wir haben sehr viel zu tun, wenn die Energiekosten durch das Dach schießen, wir haben aber auch sehr viel zu tun, wenn die Energiekosten sehr niedrig sind", erläuterte der Manager. Bei hohen Energiekosten würden die Unternehmen an den davon betroffenen Standorten weniger produzieren, und die Anlagen müssten heruntergefahren werden. Seien die Energiekosten hingegen länger günstig, dann weiteten Unternehmen ihre Produktion aus, und die Anlagen müssten dementsprechend umgemünzt werden. "Wir sind in beiden Fällen tätig." Bei hohen Energiekosten hilft Bilfinger die Anlagen runterzufahren, bei niedrigen Energiekosten die Anlagen hochzufahren. Für Bilfinger selbst spiele der Energiepreis keine große Rolle, da das Unternehmen laut Schulz fast keine Produktionsstätten hat.
"Wir sehen aber in den energieintensiven Industrien bezüglich der Investitionsvolumina eine klare Abwanderungsbewegung von Deutschland nach den USA", fügte der Konzernchef hinzu. Es gehe nicht nur um den Preis der Energie, sondern auch um die Energiesicherheit. Für die Unternehmen sei es wichtig, zu jeder Zeit ausreichend Energie zur Verfügung zu haben.
In Europa würde entweder zu viel Energie eingespeist oder zu wenig, sagte der Manager. Damit werde ein sogenannter Brownout riskiert. In diesem Fall würden Teile der Netze unkontrolliert heruntergefahren, wenn sie entweder über- oder unterbelastet seien. "Das ist ein hochgradiges Risiko", sagte er. Dies passiere, wenn nicht genügend Puffer in einem Energiemix vorhanden seien. Es sei zwar gut, wenn sehr viel Windenergie generiert werde. Allerdings könnten Windräder die Energie nicht speichern.
Atomkraftwerke, aber auch Gas- und Kohlekraftwerke könnten indes hoch- und runtergefahren werden und dadurch die Last im Netz stabil halten. "Wir wollen aber keine fossile Energie verwenden. Wo kommen denn dann die Energiespeicher her?", fragte er.
Daher plädiert Schulz dafür, dass die Atomkraftwerke in Deutschland so lange in Betrieb bleiben sollen, bis es eine Stabilisierung am europäischen Energiemarkt gibt. "In der Form, dass wir nicht Angst haben müssen, ob wir einen warmen oder kalten nächsten Winter bekommen" fügte er hinzu.
Bilfinger stellt sich derzeit schlanker auf, um profitabler zu werden. Neben Europa hat das einst weltweit agierende Unternehmen mittlerweile nur noch Geschäfte in den USA und im Nahe Osten. Auf die Frage nach möglichen Expansionsplänen sagte Schulz, zunächst müsse "das eigene Haus in Ordnung gebracht werden". Anschließend könne das Unternehmen schauen, wo es hingehe.
Momentan seien Nordamerika und der Nahe Osten Wachstumsmärkte, die weitaus stärker zulegten als der europäische Markt. Daher lege Bilfinger neben Europa hierauf auch den Fokus. Die USA seien interessiert, wieder industrialisiert zu werden, erläuterte Schulz. Das werde sich auch unter einem neuen Präsidenten nicht ändern.
In den Vereinigten Staaten werde extrem viel investiert und schnell entschieden, viel schneller als in Europa. Das locke Unternehmen mit Investitionen an. Schulz sprach von einer "Abschottungspolitik", wie es sie aber auch in anderen Ländern gebe. "Ob ich das gut oder schlecht finde, als Wirtschaftslenker ist es eigentlich recht egal", sagte er. Wenn Bilfinger in den USA daran teilhaben wolle, müsse das Unternehmen auch mehr Mitarbeiter in dem Land haben.