Erste Asset Management: Kommentar zur Ukraine-Krise sechs Monate nach Beginn des gewaltsamen Konfliktes
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Erste Asset Management: Kommentar zur Ukraine-Krise sechs Monate nach
Beginn des gewaltsamen Konfliktes
13.10.2014 / 10:25
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Peter Szopo, Russland-Experte der Erste Asset Management in Wien zieht im
Folgenden eine Zwischenbilanz in zehn Punkten.
"Im Zuge des aktuellen Waffenstillstands hat sich der Ukraine-Konflikt
beruhigt, ohne dass sich deshalb schon eine wirkliche Lösung abzeichnet.
Die Unsicherheit bleibt hoch, sowohl was die nächsten Schritte der
Konfliktparteien betrifft, als auch bezüglich der längerfristigen
Krisenfolgen", sagt Peter Szopo, Russland-Experte Erste Asset Management.
"Dennoch bietet das Ende der sechsmonatigen, durch gewaltsame Konfrontation
gekennzeichnete Eskalationsphase Anlass aus Investorensicht Zwischenbilanz
zu ziehen - sie fällt nüchtern aus."
Szopos Bilanz fällt nüchtern aus: "Russlands Wirtschaft stagniert, der
Rubel notiert auf einem Allzeittief. Die Sanktionen schwächen die
Wirtschaft und führen zu einem massiven Wirtschaftseinbruch in der Ukraine,
außerdem belastet der Konflikt auch das EU-Wachstum. Die Sanktionen sind
wahrscheinlich langlebig, die politische Unsicherheit ist anhaltend.
Während die russischen Unternehmen derzeit noch vergleichsweise robust sind
und die russische Börse noch billiger wird, wird langfristig die russische
Wirtschaft durch Kräfte beeinflusst die mehr staatlichen Einfluss und mehr
Autarkie wollen." Szopos Fazit lautet: "In Summe hinterlässt der
Ukraine-Konflikt, soviel lässt sich bereits feststellen, eine tiefe Kerbe
in der jüngeren europäischen Geschichte. Für Investoren, vor allem
Aktieninvestoren, in Russland ändern sich die Voraussetzungen und
Aussichten - in anderen Worten: der ,investment case'. Es ist künftig mit
mehr Staatseinfluss, weniger ausländischen Investitionen, Friktionen in den
Wirtschaftsbeziehungen zu Europa und einer graduellen Hinwendung in
Richtung Asien zu rechnen. Ressourcenreichtum und das Wachstum des
Binnenmarkts werden die treibenden Kräfte bleiben und Portfolioinvestoren
attraktive Investitionsmöglichkeiten mit Dividendenrenditen von 5-7 Prozent
bieten, aber politische Faktoren und Unsicherheiten - sowohl binnen- als
auch außenpolitischer Natur - werden das Investitionsklima bis auf weiteres
prägen."
Im folgenden erläutert Peter Szopo die zehn Punkte seiner Zwischenbilanz im
Detail:
1. Russlands Wirtschaft stagniert. Die Wachstumsschwäche Russlands, seit
2013 sichtbar, hat sich im Zuge der Krise beschleunigt. Seit Jahresbeginn
ist die Konsensprognose für 2014 von 2,4 Prozent BIP-Wachstum auf magere
0,25 Prozent gesunken, jene für 2015 wurde auf 1 Prozent gekürzt. Die
aktuellen Wirtschaftsindikatoren - Industrieproduktion,
Einzelhandelsumsätze - waren in den ersten acht Monaten des Jahres
teilweise besser als erwartet, der Trend ging und geht aber in Richtung
Stagnation, zumal die private Investitionstätigkeit seit Monaten schrumpft.
2. Rubel auf Allzeittief. Russische Finanzmärkte sind nach wie vor im
Krisen-Modus. Der Leitzins wurde seit Februar in drei Schritten um
insgesamt 2,5 Prozentpunkte erhöht, wodurch die gesamte Renditekurve um
200-330 Basispunkte angehoben wurde. Dennoch schwächte sich der Rubel
deutlich ab und erreichte im September sein Allzeittief, sowohl gegenüber
dem Dollar als auch relativ zum $/EUR-Währungskorb. Der Aktienmarkt verlor
gegenüber dem Durchschnitt der Schwellenländer (gemessen am MSCI Emerging
Markets-Index) seit Jahresbeginn 20 Prozent.
3. Robuste Unternehmen. Der börsennotierte Unternehmenssektor hat sich
trotz widriger Umstände bisher als robust erwiesen. Die
Unternehmensergebnisse übertrafen in den beiden ersten Quartalen die
Erwartungen. Die Gewinnprognosen für das laufende Jahr wurden bisher nur
wenig zurückgenommen. Exportorientierte Unternehmen, deren Produkte zu
Dollarpreisen gehandelt werden, profitieren in der Regel vom schwachen
Rubel, da ihre Kostenbasis überwiegend in heimischer Währung ist.
Überraschenderweise konnten auch ausschließlich auf den Inlandsmarkt
konzentrierte Unternehmen wie die Lebensmittelhändler ihre Margen halten
und robuste Quartalsergebnisse vorweisen.
4. Russische Börse noch billiger. Der Bewertungsabschlag des russischen
Aktienmarktes gegenüber Vergleichsmärkten ist seit Jahresbeginn um zehn
Prozentpunkte gestiegen. Aktuell liegt das KGV des Marktes unter 5x. Das
entspricht gegenüber dem Durchschnitt der Schwellenländer einem Abschlag
von 60 Prozent und gegenüber den CEE3-Märkten von 70 Prozent. Die Chance,
dass positive Nachrichten, insbesondere Anzeichen einer Entspannung, eine
Entlastungsrally bewirken besteht, aber eine baldige Rückkehr zu relativen
Bewertungsniveaus, wie sie vor der Krise bestanden, ist in absehbarer
Zukunft unwahrscheinlich.
5. Sanktionen schwächen die Wirtschaft. Die Sanktionen der westlichen
Konfliktparteien lasten auf der russischen Wirtschaft und den
Finanzmärkten. Ob sie als Erfolg zu werten sind, ist dennoch fraglich. Sie
sind ein dienliches Instrument, wenn es darum geht, der russischen
Wirtschaft Kosten aufzuerlegen und sie damit zu schwächen. Ihre politische
Wirkung in der Beeinflussung der russischen Außenpolitik bzw. als Beitrag
zur Lösung des Ukraine-Konflikts, nicht gesichert.
6. Sanktionen wahrscheinlich langlebig. Zuletzt haben Spekulationen über
die baldige Rücknahme der Sanktionen die Märkte bewegt. Eine weitgehende
oder vollständige Aufhebung so kurz nach ihrer Einführung ist nach unserer
Einschätzung aber unwahrscheinlich. Trotz des Waffenstillstands sind die
zugrundeliegenden Probleme des Konflikts - der Status der separatistischen
Regionen innerhalb des ukrainischen Staates, die russische Eingliederung
der Krim, und vor allem die internationale Ausrichtung der Ukraine selbst -
nicht gelöst. Außerdem könnten die Differenzen innerhalb Europas, die die
Einführung der Sanktionen verzögerten, gleichermaßen auch deren Aufhebung
erschweren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein erheblicher Teil der
Sanktionen längerfristig bestehen bleibt, ist hoch.
7. Anhaltende politische Unsicherheiten. Die weitere Entwicklung ist
naturgemäß von Unsicherheiten geprägt - mit der Konsequenz anhaltend hoher
Volatilität auf den russischen Finanzmärkten. Kurzfristig stehen - neben
möglichen Änderungen im Sanktionsregime - die Sicherung des
Waffenstillstands und die Parlamentswahlen am 26. Oktober im Vordergrund.
Letztere sind nicht nur ein organisatorisches sondern auch ein massives
politisches Problem, denn ein Wahlergebnis, das nicht von allen
involvierten Konfliktparteien anerkannt wird, liefert keinen positiven
Lösungsbeitrag. Unklar ist noch, in welchem Forum die zuletzt mehrfach -
auch vom US-Präsidenten - eingeforderte diplomatische Lösung des Konflikts
angegangen wird.
8. Mehr Staat, mehr Autarkie. Für Investoren noch wichtiger als die
unmittelbaren Krisenfolgen ist die längerfristige Perspektive. Es ist nicht
davon auszugehen, dass sich die wirtschaftlichen und politischen
Beziehungen zwischen den Konfliktparteien, vor allem zwischen Europa und
Russland, in absehbarer Zukunft normalisieren. Europäische Unternehmen und
Investoren werden zurückhaltender sein als zuvor. Gleichzeitig bekommen
durch den Konflikt und die Sanktionen die antiliberalen Kräfte in Russland
weiter Auftrieb, die für mehr Staatseinfluss und mehr Autarkie, also
Selbstversorgung, eintreten. Die Folge ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit,
mittelfristig gedämpftes Wirtschaftswachstum, da ausländische
Direktinvestitionen fehlen. Gleichzeitig dürften in Russland die Bemühungen
steigen, Wirtschaftsbereiche außerhalb des Rohstoffsektors zu entwickeln
und zu stärken.
9. Massiver Wirtschaftseinbruch in der Ukraine. Wesentlich massiver als für
Russland sind die negativen Folgen des Konfliktes für die Ukraine selbst.
Die Wirtschaft des Landes wird heuer um fast 10 Prozent schrumpfen, die
Industrieprodukten kollabiert. Die Währung hat seit Jahresbeginn über 30
Prozent gegenüber dem Dollar verloren und der unmittelbare Kapitalbedarf
ist enorm. Eine Staatsbankrott kann nicht ausgeschlossen werden. Für
ausländische Portfolioinvestoren, die bisher schon wenig
Investitionsmöglichkeiten im Lande vorfanden, wird es selbst unter
günstigsten Bedingungen Jahre dauern, bis der ukrainische Markt interessant
werden könnte.
10. Konflikt belastet auch EU-Wachstum. Schwieriger zu fassen sind die
Krisenfolgen für die EU-Wirtschaft. Sowohl die von den Sanktionen der EU
gegenüber Russland als auch die von den Gegensanktionen betroffenen
Wirtschaftsaktivitäten fallen insgesamt relativ wenig ins Gewicht. Die
Wirtschaftserholung im Euroraum ist allerdings fragil und der Rückgang der
Exporte nach Russland in dieser Phase des Zyklus nicht hilfreich.
Jedenfalls haben sich seit Jahresbeginn die Wirtschaftsdaten und
Stimmungsindikatoren im Euroraum laufend verschlechtert - mehr oder weniger
im Gleichschritt mit der Eskalation in der Ukraine. Für die EU sind die
langfristigen Folgen wichtiger als momentane Einbrüche. Immerhin ist
Russland das bevölkerungsreichste Land Europas, das entgegen einer weit
verbreiteten Meinung seit kurzem auch ein natürliches Bevölkerungswachstum
und eine positive Einwanderungsbilanz aufweist. Eine sanktionsbedingte
Schwächung der russischen Wirtschaft zusammen mit einem schwierigeren
Marktzugang ist für eine deflationsgefährdete Eurozone kein wünschenswertes
Szenario.
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die Asset- Management-Aktivitäten (Vermögensverwaltung mit Investmentfonds
und Portfoliolösungen) innerhalb der Erste Group Bank AG. An Standorten in
Österreich sowie Deutschland, Kroatien, Rumänien, der Slowakei, Tschechien
und Ungarn verwaltet sie ein Vermögen von 50,5 Milliarden Euro (per Ende
Juni 2014, Quelle EAM).
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