WARSCHAU/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Im Justizstreit mit Polen hat die EU-Kommission die im polnischen Parlament angestoßene Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof als "positiven Schritt" in die richtige Richtung bezeichnet. Es komme aber auf den Umfang und die Inhalte der am Ende verabschiedeten Rechtsvorschriften an, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Freitag. Diese müssten zwingend mit EU-Recht vereinbar sein und die Bedenken des EuGH aufgreifen. Die Änderungen sind Voraussetzung zur Freigabe von milliardenschweren Corona-Hilfen der EU.
Das Unterhaus des polnischen Parlaments, der Sejm, hatte zuvor am Donnerstag beschlossen, die Disziplinarkammer abzuschaffen. Die Kammer, die jeden Richter oder Staatsanwalt bestrafen und entlassen kann, steht im Zentrum des Streits zwischen Warschaus und Brüssel über eine seit langem kritisierte Justizreform in Polen - sie soll nun durch ein neues Gremium ersetzt werden. Der dazu vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda eingebrachte Gesetzentwurf muss nach der Zustimmung des Sejm nun noch vom Senat verabschiedet werden.
Die EU-Kommission hatte die Auflösung der Disziplinarkammer zu einer Voraussetzung für die Freigabe europäischer Corona-Hilfsgelder in Milliardenhöhe gemacht. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde steht das Gremium im Widerspruch zu den gemeinsamen Rechtsstaatsprinzipien. Für die Zahlungen aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds müsse Polen die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geforderte Unabhängigkeit der Justiz wiederherstellen.
In Warschau zeigten sich führende Politiker zuversichtlich, dass mit dem Parlamentsvotum die Bedingungen der EU erfüllt sind und der Auszahlung der Corona-Hilfen nichts mehr im Weg steht. Regierungschef Mateusz Morawiecki kündigte am Donnerstag vor dem Sejm an, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu am 2. Juni nach Warschau reisen werde.