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HINTERGRUND/Trotz Risiken: Strukturierte Anleihen dominieren Zertifikate-Markt

Veröffentlicht am 15.09.2023, 10:05
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FRANKFURT (dpa-AFX) - 15 Jahre nach der Insolvenz von Lehman Brothers erleben Zertifikate eine kleine Renaissance. Das Marktvolumen dieser im Zuge des Zahlungsausfalls der US-Investmentbank in die Kritik geratenen Anlageprodukte hat in den letzten zwölf Monaten um rund 50 Prozent auf 104 Milliarden Euro angezogen. Verkaufsrenner sind derzeit sogenannte Strukturierte Anleihen. Sie bieten die Chance auf eine über dem aktuellen Zinsniveau liegende Rendite und versprechen in der Regel eine Rückzahlung des eingesetzten Kapitals zum Laufzeitende - sofern der Anbieter nicht pleite geht.

Kritiker bemängeln, dass diese Produkte kompliziert aufgebaut und damit im Vergleich zum klassischen Tagesgeld teuer seien. Zudem würden Strukturierte Anleihen wegen ihrer attraktiven Vertriebsprovisionen von Banken auch an Kunden verkauft, die lediglich klassische Zinsprodukte wie Tages- oder Festgeld nachfragten.

Hinzu kommt, dass Emittenten bei dieser Art von fest oder variabel verzinsliche Schuldverschreibungen viele Ausgestaltungsmöglichkeiten haben, auch unter Zuhilfenahme sehr riskanter Finanzinstrumente wie etwa Optionen. Alternativ errechnet sich die Rendite anhand der Entwicklung eines Basiswertes, wie etwa eines Aktien-Indexes. Daher können die Kurse von Strukturierten Anleihen stark schwanken.

Warum aber greifen aktuell offenbar mehr Sparer zu solchen Konstrukten? Der Sparzins für Verbraucher wird maßgeblich vom sogenannten Einlagenzins der Europäischen Zentralbank (EZB) bestimmt. Angesichts des Kampfes der Notenbank gegen die hohe Inflation erhalten Banken inzwischen 4,00 Prozent Zinsen, wenn sie ihr überschüssiges Geld bei der EZB parken. Dennoch werden insbesondere Kunden von Sparkassen und Volksbanken immer noch mit Mini-Zinsen auf ihren Tagesgeldkonten abgespeist.

Christian Koziol, Inhaber des Lehrstuhls Finance an der Universität Tübingen, erklärt die Knauserigkeit nicht weniger Banken mit den Nachwirkungen der historischen Zinssenkungen in Folge der internationalen Finanzkrise von 2008. "Während der Niedrigzinsphase hat das Zinsergebnis von allen Kreditinstituten stark gelitten, was es nun wieder aufzuholen gilt." Viele Banken beschränkten daher verlockende Zinsangebote auf Neukunden. Damit nutzen sie laut dem Experten die für manche Kunden nicht unerheblichen Wechselhürden für Bestandskunden aus.

Strukturierte Anleihen könnten eine Möglichkeit für diejenigen wechselunwilligen Anleger sein, die nicht warten wollen, bis der Zins-Wettbewerb unter den Banken anzieht und die Zinsen auf das Tagesgeld damit in der Breite spürbar steigen. Gleichwohl ist das Risiko höher als beim Tages- und Festgeld.

Mit Blick auf die Kosten schlagen sich Strukturierte Anleihen derweil zumindest im Vergleich zu anderen Zertifikate-Produkten recht wacker, wie die WHU - Otto Beisheim School of Management in einer Analyse vorrechnet.

Trotz der relativ geringen Kosten ist Skepsis unter Anlageprofis spürbar, wenn es um den Einsatz dieser Produkte geht. Stephanie Schimmer, Portfolio-Managerin bei TOP Vermögen in Starnberg, etwa hält diese wegen der höheren Komplexität gegenüber herkömmlichen Anleihen mit ähnlichem oder gleichem Risiko nur bedingt für sinnvoll. Nur wenn man ein bestimmtes Thema bespielen wolle, an das man anders nicht herankomme, dann seien Strukturierte Anleihe sinnvoll, urteilt die Expertin.

Recht beliebt bei Vermögensverwaltern sind indes sogenannte Discount-Zertifikate. Mit diesen Instrumenten erhalten Anleger einen Rabatt auf den aktuellen Kurs eines Basiswertes, wie etwa einer Aktie. Dafür kann man aber an Kurssteigerungen nur bis zu einem gewissen Höchstbetrag profitieren.

Gerade in unsicheren Marktphasen können Discount-Zertifikate manchmal eine interessante Alternative sein, sagt Lothar Koch, Leiter Portfoliomanagement beim Vermögensverwalter GSAM + Spee AG. Harald Kärcher, Vermögensverwalter bei der e/r/w Vermögensmanagement GmbH, nutzt Discount-Zertifikate selektiv als Beimischung. Als Basiswert wählt er in der Regel europäische Standardwerte, also Einzeltitel von Unternehmen, welche ein langfristig tragfähiges und aussichtsreiches Geschäftsmodell haben, oder europäische Aktien-Indizes wie den EuroStoxx 50 oder den Dax .

Hendrik Buhrs, Experte für Bank und Börse beim Verbraucherratgeber Finanztip, mahnt unterdessen schön länger, Zertifikate den Finanzprofis oder erfahrenen Anlegern zu überlassen. Solche Papiere seien nur für Investoren geeignet, "die genau über die Konstruktion des jeweiligen Produkts Bescheid wissen." Käufer sollten zudem eine klare Meinung über die künftige Kursentwicklung des zugrunde liegenden Werts haben. "Zum Teil drohen hohe Verluste, falls sich die Märkte anders entwickeln als erwartet.

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