(neu: Details zum Segment P&P Deutschland, Aussagen aus Pressekonferenz zur Novelle des Postgesetzes)
BONN (dpa-AFX) - Die Deutsche Post (ETR:DPWGn) schraubt ihr Gewinnziel für 2022 trotz eines erfolgreichen dritten Quartals doch nicht so stark nach oben wie zunächst angedeutet. Das Ziel für das Stammsegment Post & Paket Deutschland wurde sogar nach unten präzisiert, es entwickelt sich damit mehr und mehr zum Sorgenkind. Die Aktie geriet in einem freundlichen Gesamtmarkt unter Druck.
Konzernweit dürfte das operative Ergebnis (Ebit) im Gesamtjahr im Vergleich zu 2021 um etwa fünf Prozent auf rund 8,4 Milliarden Euro zulegen, teilte der Konzern am Dienstag in Bonn mit. Bis Anfang Oktober hatte Post-Chef Frank Appel einen operativen Gewinn zwischen 7,6 und 8,4 Milliarden Euro angepeilt und nicht ausgeschlossen, dass es bei einer anhaltend soliden Geschäftsentwicklung noch besser laufen könnte. Am 10. Oktober kündigte der Konzern dann die Anhebung seiner Jahresprognose an. Analysten hatten für 2022 daher zuletzt im Schnitt mit einem operativen Gewinn von 8,6 Milliarden Euro gerechnet.
An der Börse wurden die Nachrichten vom Dienstag negativ aufgenommen. Die Post-Aktie verlor zeitweise mehr als drei Prozent an Wert. Zuletzt lag das Papier noch mit knapp im Minus bei 35,75 Euro, gehörte damit aber weiterhin zu den schwächsten Titeln im Dax . Seit Jahresbeginn beläuft sich der Abschlag für die Anleger auf über ein Drittel.
Die Zahlen des dritten Quartals seien in Ordnung, schrieb Analyst Samuel Bland von der US-Bank JPMorgan (NYSE:JPM). Sie entsprächen der Vorabveröffentlichung. Zahlreiche Analysten merkten allerdings an, dass die neue Prognose eine Verlangsamung der operativen Gewinnentwicklung im vierten Quartal impliziere. Bland vermutet, dass dieser Trend bis 2023 anhält.
Im dritten Quartal erzielte die Post einen operativen Gewinn von gut zwei Milliarden Euro, wie sie bereits im Oktober auf Basis vorläufiger Zahlen mitgeteilt hatte. Der freie Barmittelzufluss fiel mit 1,8 Milliarden Euro hingegen nochmal besser aus als vorab berichtet. Im Gesamtjahr soll er nun mehr als 4,2 Milliarden Euro erreichen. Zuvor hatte der Vorstand höchstens knapp 3,8 Milliarden Euro avisiert. Das Geld will Finanzchefin Melanie Kreis unter anderem verstärkt in Südost- und Südasien investieren.
Gleichzeitig erwartet die Post ausgerechnet in ihrem Stammgeschäft nunmehr lediglich das bislang avisierte Minimum zu erreichen. Demnach soll das Segment Post & Paket Deutschland im Gesamtjahr 1,35 Milliarden Euro operativen Gewinn erzielen. Der Brief- und Paketversand im Inland ist momentan das Sorgenkind des Konzerns.
Die Post hat derzeit mit Problemen bei der Briefzustellung zu kämpfen - mancherorts fehlten in den vergangenen Monaten bis zu 30 Prozent Personal. Der Firma zufolge ist das kein flächendeckendes, sondern nur ein lokales Problem. Grund hierfür sind laut Post ein hoher Corona-Krankenstand und die angespannte Lage am Arbeitsmarkt. Aus Ärger über verlorene oder arg verspätete Briefe beschwerten sich außerdem in den vergangenen Monaten deutlich mehr Bürger bei der Bundesnetzagentur als zuvor.
Auch wenn das Geschäft im Heimatmarkt momentan nachrichtlich und für die Bürgerinnen und Bürger sehr im Fokus steht, macht der Post-Konzern längst den Großteil seines Geschäfts in den DHL-Sektionen. Im dritten Quartal kam dabei die Normalisierung des Welthandels auch bei der Post an. Die Volumina im internationalen Frachtgeschäft bewegten sich auf dem Niveau des Vorquartals. Das Aufkommen im Geschäft mit zeitkritischen Sendungen ging weiter zurück.
Es sei eine weltweit nachlassende Wachstumsdynamik zu spüren, sagte Finanzchefin Kreis am Dienstag in einem vom Konzern veröffentlichten Interview. Containerstaus seien im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich geringer geworden. "Entsprechend kommt wieder mehr Kapazität auf den Markt und die Termintreue steigt." Sie erwartet, dass sich diese Entwicklungen in den kommenden Quartalen stärker fortsetzen und zu einem weniger starken Wachstum führen.
Zugleich kauften die Menschen wieder mehr im Internet ein, was bei der Post sowohl in Deutschland als auch dem Rest von Europa zu steigenden Paketmengen führte. Aber: "Auch wir sind gegen einen stärkeren weltwirtschaftlichen Gegenwind nicht immun", sagte Kreis. Flexibilität sei entscheidend. Außerdem habe die Post keine übergroße Abhängigkeit von einzelnen Sektoren und Regionen. "Mit Blick auf die volatile wirtschaftliche Entwicklung wird die Kapazitätsplanung aber sicherlich nicht einfacher werden", sagte sie.
Und auch die Probleme bei Post & Paket sind noch nicht ausgestanden. Der Fokus liege nun darauf, die Qualität wieder zu erhöhen und Rekrutierungsmaßnahmen zu verstärken, sagte Kreis. "Insbesondere für die Bereiche Zustellung, Sortierung und Verladung." Dies erfordere Investitionen in Infrastruktur, Personal und Prozesse. "Entsprechend werden sich diese auch auf unsere Kostenbasis im vierten Quartal 2022 auswirken", sagte die Finanzvorständin.
Einen Teil des Problems sieht Konzernchef Appel auch in der aktuellen Gesetzeslage. Er machte sich in einer Telefonkonferenz mit Journalisten für entsprechende Änderungen stark. Demnach soll der gesetzlich verankerte Zeitdruck bei der Beförderung von Briefen abgeschwächt werden. Der Vorstandschef appellierte an den Gesetzgeber, die bisherige Vorgabe, zu überdenken.
Der zufolge müssen mindestens 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag beim Empfänger sein. Der Manager machte dabei klar, dass er so eine Vorgabe angesichts des sinkenden Bedarfs an Briefen im Digitalzeitalter für nicht mehr angemessen hält. "Die Politik muss verstehen, wir brauchen irgendwo eine Kostenentlastung", sagte er.
Die Ampelkoalition will das Postgesetz in der laufenden Legislaturperiode ändern und modernisieren. Ein Gesetzgebungsvorschlag könnte im kommenden Jahr vorgelegt werden.