- von Kirsti Knolle -
Frankfurt, 22. Sep (Reuters) - Die Bundesregierung will mit
einem am Mittwoch auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf die
Anleger offener Immobilienfonds besser schützen. Doch während
der parlamentarische Prozess gerade in Gang kommt, stehen die
leidgeprüften Investoren schon vor einer neuen Zitterpartie:
Ende Oktober läuft für drei offene Immobilienfonds die maximale
Frist für eine vorübergehende Schließung aus. Nach zwei Jahren
Wartezeit können Anleger von KanAm, Aberdeen Immobilien oder
Morgan Stanley
Wenn nicht - dann betreten die seit mehr als 50 Jahren in Deutschland vertriebenen offenen Immobilienfonds juristisches Neuland. Zum ersten Mal droht womöglich eine Schließung eines der hierzulande beliebtesten Anlageprodukte. Die Gesetzeslage ist schwammig.
DAS KREUZ MIT DER LIQUIDITÄT
Begonnen hatten die Schwierigkeiten im Herbst 2008. Im Zuge der Finanzkrise hatten vor allem Profianleger von heute auf morgen große Summen aus offenen Immobilienfonds abgezogen, um damit Verluste aus anderen Anlagen auszubügeln. Viele Fondsanbieter gerieten in Liquiditätsnöte und konnten ihre Anleger nicht mehr ausbezahlen: Sie machten dicht. Fast zwei Jahre später hat sich die Lage kaum entspannt. Insgesamt zehn Fonds sind derzeit eingefroren - rund 25 Milliarden Euro sind dem Zugriff der Anleger so entzogen. Das sind knapp dreißig Prozent der in offene Immobilienfonds investierten Gelder.
KanAm, Aberdeen und Morgan Stanley haben in den vergangenen Monaten in großem Stil Immobilien aus ihrem Fondsbestand verkauft, um sich die nötigen liquiden Mittel für eine Neuöffnung zu beschaffen. In einem global immer noch sehr angespannten Immobilienmarkt fällt es den Fondsgesellschaften aber teilweise außerordentlich schwer, Gebäude zu veräußern. Zwar wird in einigen Toplagen schon wieder viel Geld bezahlt, aber in Osteuropa oder Asien liegt das Geschäft noch brach.
Ob die Barmittel nun bei einem Ansturm verärgerter und verunsicherter Investoren auch reichen, wagt kein Anbieter zu prognostizieren. "Wir wollen wieder öffnen und den Fonds weiterführen, aber letzten Endes kann uns keine Umfrage wirklich vorhersagen, wie sich die Anleger tatsächlich verhalten werden", sagt ein Sprecher des Anbieters KanAm. Man bereite sich auf jedes Szenario vor. Ähnlich zurückhaltend äußert sich Aberdeen. Bislang ist lediglich Morgan Stanley nach heftigen Abwertungen seiner Immobilien mit einer Werbekampagne für seinen Fonds P2 Value nach vorne geprescht. Doch die Zweifel in der Branche sind groß. "Klar argumentiert Morgan Stanley, dass jetzt der Boden bei der Bewertung erreicht ist, aber ob die Anleger dem folgen werden? Für viele ist es inzwischen auch eine Frage des Prinzips zu verkaufen", sagt Anlageexperte Björn Drescher von der Beratungsgesellschaft Drescher & Cie.
WANN IST EIN VERKAUFSPREIS "ANGEMESSEN"?
Was also tun im Notfall? Theoretisch kann ein Fonds einen Tag öffnen und dann wieder für höchstens zwei Jahre dichtmachen. Ein solches Vorgehen halten Experten aber einhellig für unwahrscheinlich; der Imageschaden wäre verheerend. Also bleiben Immobilien-Notverkäufe oder sogar die Abwicklung des Fonds. Aber zu welchem Preis kann eine Gesellschaft dann die Immobilien veräußern? "Zu angemessenen Bedingungen" heißt es im Investmentgesetz.
"In einem solchen Fall muss der vom Sachverständigen ermittelte Wert nicht mehr erzielt werden", erläutert Rechtsanwalt Niko Schultz-Süchting von der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Allerdings müsse die Gesellschaft nachweisen, dass sie einen zumindest annähernd marktgerechten Preis ausgehandelt habe und dass sie beim Verkauf umsichtig vorgegangen sei. "Ein Vorgehen nach dem Motto 'Weg mit Schaden, Hauptsache Cash', ist grundsätzlich nicht erlaubt. Das Interesse der Anleger hat höchste Autorität", so Schultz-Süchting.
Eine Frist, in dem diese Verkäufe erfolgen müssen, gibt das Gesetz nicht vor. Anleger können sich also auf keinen zeitlichen Horizont einstellen, bis wann sie im Zweifel Geld sehen. Angesichts der vielen offenen Fragen sagen viele Experten eine Klagewelle von Anlegern voraus. "Immobilienfonds wurden ja an besonders risikoaverse Anleger verkauft", stellt Drescher fest. "Die werden sich wehren."
(Reporter: Kirsti Knolle; redigiert von Christian Götz)