* Berlusconi: Beschleunigen Sparmaßnahmen
* Ankündigung nach Tag der Nervosität an den Märkten
* Telefongespräche der europäischen Regierungschefs
* Südamerikaner suchen gemeinsame Strategie
(neu: Italien, Marktentwicklung, Südamerika, Hintergrund)
- von Gavin Jones und Andreas Framke -
Rom, 05. Aug (Reuters) - Angesichts wachsender Furcht vor einer Ausweitung der Schuldenkrise zieht Italien auf Druck der Euro-Partner sein Reformprogramm vor. Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti kündigten am Freitagabend auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz an, ihre Sparmaßnahmen zu beschleunigen. Ziel sei ein ausgeglichener Haushalt 2013. Vorausgegangen war ein Tag der hektischen Telefonate zwischen europäischen Politikern und der großen Nervosität an den Märkten. Händlern zufolge griff die EZB den zweiten Tag in Folge mit dem Ankauf von Anleihen ein.
Berlusconi kündigte an, das Prinzip eines ausgeglichenen Haushalts in der Verfassung zu verankern. Beide Kammern des Parlaments wollten sich in der kommenden Woche damit befassen. Er habe zudem mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy darüber gesprochen, das für Mitte September geplante G7-Finanzministertreffen vorzuziehen. Tremonti erklärte, dass Sparprogramm solle nun bereits 2012 greifen und nicht erst 2013.
MERKEL VERLANGT SCHNELLE UMSETZUNG DER GIPFELBESCHLÜSSE
Investoren haben sich wenig beeindruckt gezeigt von einem italienischen Sparpaket mit einem Volumen von 48 Milliarden Euro, unter anderem weil die meisten Maßnahmen erst 2013 und damit nach der Wahl greifen sollen. In den vergangenen Tagen waren die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen in die Höhe geschossen und hatten Ängste vor einem Übergreifen der Schuldenkrise auf die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone geschürt.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte vor Berlusconis Erklärung aus Kreisen erfahren, dass mehrere Staats- und Regierungschefs der EU erheblichen Druck auf Berlusconi ausgeübt hätten. Die Europäische Zentralbank (EZB) erwarte, dass die italienische Regierung ihre Reformen im Gegenzug für Bond-Aufkäufe beschleunige, verlautete aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen. Berlusconi solle in Aussicht stellen, Sozialreformen und Haushaltskonsolidierung zu beschleunigen. Erst dann wolle die EZB tätig werden und italienische Staatsanleihen aufkaufen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rief zur schnellen Umsetzung der jüngsten Gipfelbeschlüsse zur Schuldenkrise auf. Nach Telefonaten mit Sarkozy sowie Berlusconi und dem britischen Premierminister David Cameron über die aktuellen Entwicklungen sagte ein Regierungssprecher am Abend, alle seien sich in diesem Punkt einig gewesen. Merkel werde am Abend auch noch mit US-Präsident Barack Obama telefonieren.
"NOCH SO EINE WOCHE ÜBERLEBEN WIR NICHT"
Die EZB erwirbt seit Donnerstag wieder Bonds von Euroländern am Sekundärmarkt. Allerdings kauft sie bislang nur Anleihen von Irland und Portugal und nicht von den den beiden auch ins Visier der Finanzmärkte geratenen Euro-Schwergewichten Spanien und Italien. Aus Kreisen der Zentralbank erfuhr Reuters, dass selbst diese Ankäufe umstritten waren. Insbesondere seien sie von Bundesbankchef Jens Weidmann und EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark abgelehnt worden [ID:nLDE775OIX]. Händler sprachen davon, dass auch am Freitag Käufe getätigt worden waren, wieder nach dem Muster vom Donnerstag.
Berlusconis Erklärung könnte nun eine Änderung bringen, erklärte eine mit den Gesprächen vertraute Person: Dies werde helfen, den Widerstand im EZB-Rat zu überwinden, denn nur eine Intervention der Notenbank könne den Markt stabilisieren. "Ich sehe nicht, wie wir noch so eine Woche wie diese überleben können", hieß es weiter. Besonders die US-Märkte hatten am Donnerstag massive Verluste erlitten, am Freitag war der Handel dort von großer Unsicherheit und massiven Schwankungen geprägt.
In Südamerika suchten die Finanzminister nach Möglichkeiten, ein Übergreifen der Krise auf ihren Kontinent zu verhindern. Auch dort sind die Märkte in Unruhe geraten. Die Weltwirtschaft stehe unter Druck, erklärte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega bei einem Treffen mit Kollegen in Lima. "Dies ist der Moment, in dem Südamerika als Gruppe handeln muss", erklärte sein kolumbianischer Kollege Juan Carlos Echeverry. "Wir befinden uns in sehr rauer See."
(Unter Mitarbeit von Michael Nienaber, Marco Aquino und Caroline Stauffer; geschrieben von Scot W. Stevenson; redigiert von Birgit Mittwollen)