Börsen-Zeitung: Die Politik muss liefern, Marktkommentar von Thorsten
Kramer
Frankfurt (ots) - Erinnern Sie sich? Es ist gerade einmal zwölf
Monate her, da machte in Deutschland noch das Schlagwort einer
'Goldenen Dekade' die Runde. Die damit verbundene Perspektive stetig
steigender Aktienkurse und einem Dax auf Rekordniveau ist allerdings
seit dem Sommer Geschichte. Stattdessen fürchten Investoren nun
Schuldenkrise und Rezession und setzen vorrangig auf Kapitalerhalt.
Wie doch die Zeit vergeht.
Schaut man sich das Chartbild des deutschen Aktienmarktes an,
waren es letztlich zwei Wochen im Juli und August, in denen sich an
den Aktienmärkten das Weltbild komplett drehte. Seitdem ist die Angst
vor dem Absturz ein steter Begleiter. Entsprechend pessimistisch
formulieren dieser Tage die meisten Anlagestrategen ihre Prognosen
für das neue Jahr, in dem die Schuldenkrise die Märkte weiterhin
stark beschäftigen wird - eine Rezession in der gesamten Eurozone
nicht ausgeschlossen.
Allein der immense Refinanzierungsbedarf von Italien und Spanien,
den beiden Wackelkandidaten, verheißt für das neue Jahr nichts Gutes.
Hoffnung macht es aber doch, dass beide Länder bei den jüngsten
Auktionen am Anleihemarkt überraschend erfolgreich gewesen sind.
Darin spiegelt sich, dass Madrid und Rom dabei Fortschritte machen,
durch eine notwendige Reformpolitik das Vertrauen der Investoren
zurückzugewinnen. Und es wirkt positiv, dass Europas Regierungschefs
auf dem jüngsten Brüsseler Gipfel einen wichtigen Schritt in die
richtige Richtung getan haben - auch ohne die Briten. Ob das
Aktienjahr 2012 ein gutes oder ein weiteres schlechtes wird, dürfte
also sehr stark davon abhängen, ob es Europa gelingt, durch eine
glaubhafte Politik die langfristige Perspektive aufzuzeigen, dass die
Angst vor dem Bruch der Währungsunion doch nur etwas für
Apokalyptiker ist.
Wichtiges Auftaktquartal
Große Bedeutung kommt dabei dem ersten Quartal des neuen Jahres
zu, wenn es darum geht, in den einzelnen Staaten im Nachklapp an den
Brüsseler Gipfel die politischen Weichen zu stellen. Gelingt dies
ohne größere Probleme, dürfte dies dazu beitragen, dass Länder wie
Spanien und Italien von den Investoren weiterhin Kredit bekommen. Die
Märkte würden dann einen gewichtigen Belastungsfaktor verlieren. Dies
wiederum könnte der Moment sein, an dem sich die Perspektive an den
Aktienmärkten ein weiteres Mal dreht - aber diesmal in die andere
Richtung.
Vorausgesetzt, es bleibt eine zusätzliche Verschärfung der
Schuldenkrise aus, deutet der ausgeprägte Pessimismus der Investoren
sowie ihre defensive Positionierung jedenfalls darauf hin, dass die
Aktienindizes spätestens auf dem Niveau des Buchwertes Unterstützung
finden. Dieses Niveau findet sich im Dax bei etwa 5200 Zählern. Hinzu
kommt, dass die Konjunkturdaten in den USA bereits seit Längerem
positiv überraschen, wie der von der Citigroup erstellte Economic
Surprise Index zeigt. In Europa gilt dies inzwischen auch. Dies
stützt die These der Optimisten, dass auch Europas Wirtschaft im
Laufe des neuen Jahres Fuß fassen wird.
Die Aussicht auf große Sprünge ist damit freilich nicht verbunden,
es deutet sich vielmehr eine lange Phase mit einem eher
unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum an, zumal gewohnte
Impulse von staatlicher Seite nachlassen, Banken restriktiver bei der
Vergabe von Krediten agieren und zunehmende Regulierung oder
steigende Steuern die Möglichkeiten der Firmen zusätzlich
einschränken werden. Und dennoch eröffnet sich in diesem Fall die
Chance auf eine überraschend gute Aktienmarktperformance. Aus dem
Unternehmenssektor sind für den Gesamtmarkt trotz überwiegend solider
Bilanzen zwar keine Impulse zu erwarten - die Phase rückläufiger
Gewinnschätzungen dürfte anhalten. Die Hoffnung liegt aber darin,
dass die Risikoprämien sinken, sprich die Risikobereitschaft der
Investoren zunimmt. In diesem Fall dürfte auch die im zweiten
Halbjahr stark gestiegene Schwankungsbreite der Aktienmärkte
tendenziell etwas abnehmen - ein Szenario, welches langfristig
orientierten Investoren zusätzlich Sicherheit gibt. Die Gewinner
dürften dann die Verlierer des Jahres 2011 sein - also etwa zyklische
Titel. Bis es dazu kommt, ist es allerdings ratsam, sich weiterhin
sehr zurückhaltend an den Börsen zu engagieren. Unternehmen mit
geringer Verschuldung, nachgewiesener Wachstumsstärke auch in Krisen
und attraktiver Dividendenrendite scheinen vielen empfehlenswert -
wenn sie sich dieser Tage überhaupt an die Börsen wagen. Ratsam ist
zudem eine sehr breite Streuung der Investments, die einem Portfolio
mehr Stabilität verleiht.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Telefon: 069--2732-0
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Monate her, da machte in Deutschland noch das Schlagwort einer
'Goldenen Dekade' die Runde. Die damit verbundene Perspektive stetig
steigender Aktienkurse und einem Dax auf Rekordniveau ist allerdings
seit dem Sommer Geschichte. Stattdessen fürchten Investoren nun
Schuldenkrise und Rezession und setzen vorrangig auf Kapitalerhalt.
Wie doch die Zeit vergeht.
Schaut man sich das Chartbild des deutschen Aktienmarktes an,
waren es letztlich zwei Wochen im Juli und August, in denen sich an
den Aktienmärkten das Weltbild komplett drehte. Seitdem ist die Angst
vor dem Absturz ein steter Begleiter. Entsprechend pessimistisch
formulieren dieser Tage die meisten Anlagestrategen ihre Prognosen
für das neue Jahr, in dem die Schuldenkrise die Märkte weiterhin
stark beschäftigen wird - eine Rezession in der gesamten Eurozone
nicht ausgeschlossen.
Allein der immense Refinanzierungsbedarf von Italien und Spanien,
den beiden Wackelkandidaten, verheißt für das neue Jahr nichts Gutes.
Hoffnung macht es aber doch, dass beide Länder bei den jüngsten
Auktionen am Anleihemarkt überraschend erfolgreich gewesen sind.
Darin spiegelt sich, dass Madrid und Rom dabei Fortschritte machen,
durch eine notwendige Reformpolitik das Vertrauen der Investoren
zurückzugewinnen. Und es wirkt positiv, dass Europas Regierungschefs
auf dem jüngsten Brüsseler Gipfel einen wichtigen Schritt in die
richtige Richtung getan haben - auch ohne die Briten. Ob das
Aktienjahr 2012 ein gutes oder ein weiteres schlechtes wird, dürfte
also sehr stark davon abhängen, ob es Europa gelingt, durch eine
glaubhafte Politik die langfristige Perspektive aufzuzeigen, dass die
Angst vor dem Bruch der Währungsunion doch nur etwas für
Apokalyptiker ist.
Wichtiges Auftaktquartal
Große Bedeutung kommt dabei dem ersten Quartal des neuen Jahres
zu, wenn es darum geht, in den einzelnen Staaten im Nachklapp an den
Brüsseler Gipfel die politischen Weichen zu stellen. Gelingt dies
ohne größere Probleme, dürfte dies dazu beitragen, dass Länder wie
Spanien und Italien von den Investoren weiterhin Kredit bekommen. Die
Märkte würden dann einen gewichtigen Belastungsfaktor verlieren. Dies
wiederum könnte der Moment sein, an dem sich die Perspektive an den
Aktienmärkten ein weiteres Mal dreht - aber diesmal in die andere
Richtung.
Vorausgesetzt, es bleibt eine zusätzliche Verschärfung der
Schuldenkrise aus, deutet der ausgeprägte Pessimismus der Investoren
sowie ihre defensive Positionierung jedenfalls darauf hin, dass die
Aktienindizes spätestens auf dem Niveau des Buchwertes Unterstützung
finden. Dieses Niveau findet sich im Dax bei etwa 5200 Zählern. Hinzu
kommt, dass die Konjunkturdaten in den USA bereits seit Längerem
positiv überraschen, wie der von der Citigroup erstellte Economic
Surprise Index zeigt. In Europa gilt dies inzwischen auch. Dies
stützt die These der Optimisten, dass auch Europas Wirtschaft im
Laufe des neuen Jahres Fuß fassen wird.
Die Aussicht auf große Sprünge ist damit freilich nicht verbunden,
es deutet sich vielmehr eine lange Phase mit einem eher
unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum an, zumal gewohnte
Impulse von staatlicher Seite nachlassen, Banken restriktiver bei der
Vergabe von Krediten agieren und zunehmende Regulierung oder
steigende Steuern die Möglichkeiten der Firmen zusätzlich
einschränken werden. Und dennoch eröffnet sich in diesem Fall die
Chance auf eine überraschend gute Aktienmarktperformance. Aus dem
Unternehmenssektor sind für den Gesamtmarkt trotz überwiegend solider
Bilanzen zwar keine Impulse zu erwarten - die Phase rückläufiger
Gewinnschätzungen dürfte anhalten. Die Hoffnung liegt aber darin,
dass die Risikoprämien sinken, sprich die Risikobereitschaft der
Investoren zunimmt. In diesem Fall dürfte auch die im zweiten
Halbjahr stark gestiegene Schwankungsbreite der Aktienmärkte
tendenziell etwas abnehmen - ein Szenario, welches langfristig
orientierten Investoren zusätzlich Sicherheit gibt. Die Gewinner
dürften dann die Verlierer des Jahres 2011 sein - also etwa zyklische
Titel. Bis es dazu kommt, ist es allerdings ratsam, sich weiterhin
sehr zurückhaltend an den Börsen zu engagieren. Unternehmen mit
geringer Verschuldung, nachgewiesener Wachstumsstärke auch in Krisen
und attraktiver Dividendenrendite scheinen vielen empfehlenswert -
wenn sie sich dieser Tage überhaupt an die Börsen wagen. Ratsam ist
zudem eine sehr breite Streuung der Investments, die einem Portfolio
mehr Stabilität verleiht.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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