Investing.com - Der dramatische Verfall der türkischen Lira war das Top Thema an den internationalen Finanzmärkten in den vergangenen Tagen. Kein Wunder - schließlich verlor die türkische Landeswährung zum US-Dollar und zum Euro innerhalb von einer Woche mehr als 30 Prozent an Wert. Ein sehr seltenes Ereignis, welches auch die Suchanfragen bei Google (NASDAQ:GOOGL) für die türkische Lira in die Höhe schnallen ließ …
Einige Marktbeobachter argumentieren, dass die jüngsten US-Sanktionen gegen zwei türkische Minister der Auslöser für die Abwertung der türkischen Lira waren. Andere wiederum sehen den Grund in den noch immer sehr tiefen Zinsen in der Türkei.
Im Mai hatte der türkische Präsident Erdogan aber gesagt, dass die hohen Zinsen "die Mutter allen Übels" seien. Für ihn seien höhere Leitzinsen der Grund für die galoppierende Inflation. Und so setzte er die türkische Zentralbank unter Druck, die Zinsen zu senken. Er griff also in die Unabhängigkeit der Zentralbank ein, was Investoren überhaupt nicht gerne sehen.
Laut der klassischen Wirtschaftslehre sorgen höhere Leitzinsen dafür, die Inflation zu dämpfen, da die Geldmenge dadurch begrenzt wird, weil Unternehmen höhere Zinsen für Geld bezahlen müssen und tendenziell sich dann weniger Geld leihen.
Warum sträubt sich Präsident Erdogan jetzt aber so extrem gegen höhere Leitzinsen? Russ Mould, Direktor für Investitionen bei AJ Bell, schreibt, dass die Ansichten von Erdogan auf den Erfahrungen mit den bisherigen Finanzproblemen der Türkei basieren.
"Die gegenwärtige Situation in der Türkei trägt alle Merkmale der asiatischen und russischen Wirtschaftskrise von 1997-1998, die schließlich auf den Westen übersprang und zu einer schnellen, aber gewaltigen Baisse bei den Aktienkursen führte. Die Türkei geriet zuletzt 2000-2001 in ernsthafte Schwierigkeiten. Auch damals ist die türkische Lira eingebrochen".
"Als die Lira im Jahr 2000 kollabierte, halbierte sich der Wert der türkischen Währung und das BIP sank, während Arbeitslosigkeit und Inflation in die Höhe schnellten. Dies alles geschah unter der Aufsicht des Internationalen Währungsfonds (IWF), der zwischen 1999 und 2003 mehr als 20 Milliarden Dollar an finanzieller Unterstützung anbot, im Gegenzug für ein Paket aus Zinserhöhungen und fiskalischen Sparmaßnahmen".
"Diese Wirtschaftskatastrophe ebnete den Weg für den Wahlsieg der neu gegründeten Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) unter der Schirmherrschaft von Recep Tayyip Erdogan, so dass kein Investor überrascht sein sollte, wie Erdogan jetzt reagiert".
"Sein Aufstieg an die Macht wurde zumindest teilweise aus der Unzufriedenheit der Öffentlichkeit geboren und mit der Version der ökonomischen Orthodoxie des IWF befeuert, daher ist es kein Wunder, dass er entschlossen ist, jetzt nicht dem Weg höherer Zinsen und niedrigerer Staatsausgaben zu folgen".
"Angesichts der Tatsache, dass er in einer Rede im vergangenen Mai die hohen Zinsen als 'die Mutter allen Übels' bezeichnete und die Frage aufwarf, ob er Zinsen und Kredite im Ausland zurückzahlen wollte, geschweige denn könnte, war alles, was es brauchte, eine unerwartete Entwicklung, um das Vertrauen in türkische Vermögenswerte zu torpedieren und die Kapitalflucht zu beschleunigen. Schließlich wird das Kapital immer dorthin gehen, wo es willkommen ist, und dort bleiben, wo es gut behandelt wird", wie der ehemalige Vorsitzende der Citigroup (NYSE:C), Walter Wriston, einmal sagte, und es kann gut sein, dass die Türkei jetzt nicht mehr zu dieser Rechnung passt".
Türkische Lira, südafrikanischer Rand, mexikanischer Peso und russischer Rubel stabilisieren sich
Zum Euro hat sich die türkische Lira am Donnerstag stabilisiert. Für einen Euro wurden 7,5279 türkische Lira fällig und damit weniger als 4 Prozent als am Vortag. Im Vergleich zum US-Dollar legte die türkische Lira ebenfalls um mehr als 4 Prozent zu und kostete zuletzt 6,59.
Auch andere Währungen der Schwellenländer erholten sich am Dienstag. Der südafrikanische Rand, der gestern auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren zum US-Dollar fiel, wertete um 1,78 Prozent auf 14,16 auf.
Der russische Rubel legte zum US-Dollar um 1,51 Prozent auf 66,79 Prozent zu, während der USD/MXN um 1,00 Prozent auf 18,91 sank.
Die indische Rupie wertete nach einem neuen Rekordtief gegenüber dem US-Dollar moderat auf und stieg um 0,10 Prozent auf 69,89.