WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach einem holprigen Start in seine zweite Amtszeit als US-Präsident will Barack Obama den Blick in seiner Rede zur Lage der Nation nach vorn richten. Obamas fünfte 'State of the Union'-Ansprache am Dienstagabend (Ortszeit, 03.00 Uhr MEZ) soll sich vor allem um die Themen wachsende Ungleichheit und bessere wirtschaftliche Chancen für den Mittelstand drehen.
Schon in den vergangenen Monaten drängte Obama den Kongress dazu, den Mindestlohn von derzeit 7,25 Dollar (5,31 Euro) anzuheben und die Hilfen für Langzeitarbeitslose auszubauen. Da Demokraten und Republikaner sich Umfragen zufolge weitgehend einig sind, dass die Ungleichheit in den vergangenen Jahren zugenommen hat, könnte Obama bei diesem Thema möglicherweise überparteilich punkten.
Dennoch dürfte die vielbeachtete Rede eine der schwersten für den angeschlagenen US-Präsidenten werden. Anstatt politisch Boden gutzumachen, hat Obama seit dem Beginn seiner zweiten Amtszeit im Januar 2013 vor allem Rückschläge einstecken müssen. Dazu zählen seine bislang erfolglosen Versuche, das Einwanderungsrecht zu reformieren und den Waffengebrauch in den USA stärker zu regulieren. Diese Themen könnte Obama in der Hoffnung, seinen zentralen Vorhaben neuen Schwung zu verleihen, am Dienstag erneut aufgreifen.
Doch Obamas Umfragewerte stecken seit Wochen im Keller. In einer Befragung der 'Washington Post' und des TV-Senders ABC konnte der Präsident zuletzt zwar einige Punkte gewinnen, er kam auf eine Zustimmung von 46 Prozent gegenüber 42 Prozent im November. Doch zum ersten Mal bewerten die Amerikaner im Vorfeld einer 'State of the Union'-Rede seine Leistungen überwiegend negativ, schreibt die 'Post'. Schuld daran dürften auch die peinlichen Pannen beim Start seiner als 'Obamacare' bekannten Gesundheitsreform vergangenen Herbst sein. Die laufenden Enthüllungen rund um den Geheimdienst NSA sowie der erbitterte Finanzstreit und der tagelange Verwaltungsstillstand beschädigten das Image der US-Regierung zusätzlich.
Nach Angaben des Weißen Hauses hält Obama am Dienstag seine fünfte 'State of the Union'-Rede. Einige US-Medien sprechen dagegen von sechs. Sie zählen Obamas erste Ansprache im Kongress kurz nach seiner Amtseinführung im Januar 2010 mit, die laut Weißem Haus aber kein offizieller Lagebericht war.
Eine Reihe an 'wirklichen, konkreten, praktischen Vorschlägen' verspricht Obamas Top-Berater Dan Pfeiffer im Vorfeld der Rede. Ob Obama die Kritiker überzeugen kann, bleibt aber fraglich. Die Republikaner haben bereits ihre Antwort-Rede angekündigt. Obwohl es noch drei Jahre bis zur nächsten Wahl sind, sehen einige schon jetzt einen eher amtsmüden Präsidenten, in den USA bezeichnet als 'Lame Duck' (lahme Ente), etwa das Wirtschaftsmagazin 'Forbes'. In der fortgeschrittenen Phase seiner zweiten Amtszeit dürfte es immer schwieriger werden, große politische Vorhaben durchzusetzen.
Die Rede wird auch vor dem Hintergrund der im November anstehenden Kongresswahlen verfolgt, bei denen das Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt werden. Bei der Wahl zum nächsten US-Präsidenten darf Obama nach seiner zweiten Amtszeit nicht mehr antreten. Selbst wenn er seinen Glanz als Hoffnungsträger längst verloren hat: Nach einer unglücklichen Reihung politischer Misserfolge dürfte seine Rede ein erneuter Versuch werden, doch noch als erfolgreicher Staatschef in die Geschichtsbücher einzugehen./jot/DP/jsl