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Veröffentlicht am 27.10.2011, 20:51
Börsen-Zeitung: Teuer erkaufte Kapitalstärke, Kommentar zum

Euro-Gipfel von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots) - Na also, hat doch gar nicht wehgetan, der kleine

Schuldenschnitt, gegen den sich die Banken so lange gewehrt hatten.

Nun wurden sie von den Regierungschefs der Eurozone mit 'einem

einzigen Angebot', das zugleich das 'letzte Wort' war (so Angela

Merkel), dazu gefreiwilligt - wie die Politiker zuvor schon die

Europäische Zentralbank (EZB) zur freiwilligen Fortsetzung ihrer

'unkonventionellen' Maßnahmen, darunter der Kauf von Staatsanleihen,

weichgekocht hatten. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, als

Vorsitzender des Institute of International Finance (IIF) zugleich

oberster Lobbyist der weltweiten Finanzbranche, zeigt sich 'sehr

zufrieden mit der erreichten Einigung', landauf, landab - Ausnahme:

Griechenland - wird versichert, die Institute seien zur notwendigen

Rekapitalisierung nicht auf Staatshilfe angewiesen, und Bankaktien

gehen geradezu durch die Decke.

Das Mitleid mit dem Kreditgewerbe ob des Forderungsverzichts von

100 Mrd. Euro, der mit einer 30 Mrd. Euro schweren Teilgarantie für

die im Tausch angebotenen neuen Anleihen versüßt wird, hält sich in

Grenzen. Nicht allein wegen der schon etwas abgedroschenen

Binsenwahrheit, dass es - will man die Banken-, Marktwirtschafts- und

irgendwann noch die Demokratieverdrossenheit nicht auf die Spitze

treiben - auf Dauer nicht angehen kann, Gewinne und Boni privat zu

kassieren, für Verluste aber die Allgemeinheit haften zu lassen.

Sondern schon deshalb, weil seriöse Banken jeden Kleinanleger über

den Zusammenhang von Rendite und Risiko aufklären. Aber sie selbst

wollen ernsthaft geglaubt haben, es gebe risikolose Investments,

Staatsanleihen eben, nur weil Politik und Aufsicht generös auf eine

Eigenkapitalunterlegung verzichteten?

Leider sind wir pleite

Diese weltfremde Regulierung enthebt Gläubiger nicht der Pflicht,

ihre Schuldner eigenverantwortlich - das heißt auch: ohne blindes

Vertrauen auf Ratingagenturen - auf Herz und Nieren zu prüfen. Dann

hätte etwa den volkswirtschaftlichen Abteilungen schon vor Jahren

auffallen sollen, dass etwas faul ist (nicht nur) im Staate

Griechenland. Es mangelt ja auch nicht an historischen Erfahrungen:

zum Beispiel Island 2008, Argentinien 2002, Russland 1998 - oder

Griechenland 1893. Ministerpräsident Charilaos Trikoupis, ein

Vorgänger von Giorgos Papandreou, ging damals recht freimütig mit dem

Tatbestand um: 'Leider sind wir pleite', sagte er im Parlament.

An einer (weiteren) Teilverstaatlichung sind die allermeisten der

von der EU-Aufsicht EBA stressgetesteten Banken vorbeigeschrammt. Wie

es aussieht, stehen nur die bis zur Halskrause in Anleihen ihres

Landes engagierten griechischen Institute vor der Nationalisierung -

wiewohl in Hellas eher Privatisierung angesagt sein sollte. Den

großen Banken in anderen Ländern hilft, dass sie Kursgewinne etwa von

Bundesanleihen mit dem Wertberichtigungsbedarf auf ihr Exposure in

der Euro-Peripherie verrechnen dürfen, obgleich auch der Bund seine

Schulden nur zum Nennwert zurückzahlen wird (was man jedenfalls

hoffen darf). Von diesem in einer Marktwertbetrachtung legitimen

Bilanzierungskniff abgesehen, zeugt der von der EBA ermittelte

Kapitalbedarf von 'nur' 106 Mrd. Euro, davon lediglich gut 5 Mrd.

Euro für die Commerzbank und drei weitere deutsche Häuser, aber

durchaus auch von einer erheblichen Kapitalkraft und hoher

Krisenresistenz der Branche.

Bankgeschäft umgekrempelt

Diese Stärke und Widerstandsfähigkeit wurden freilich schon vor

dem Euro-Gipfel teuer erkauft, und nach den Entscheidungen der

Staats- und Regierungschefs wird noch eine umso höhere Rechnung zu

bezahlen sein - nicht nur von den Banken selbst, sondern womöglich

von den Volkswirtschaften insgesamt. Insofern wird das Paket, das um

3:23 Uhr am Donnerstagmorgen geschnürt war, das Bankgeschäft, das

seit Beginn der Finanzkrise ohnehin umgekrempelt wird, weiter radikal

verändern - und vermutlich nicht nur das Bankgeschäft.

Die jetzt nachgewiesene relativ komfortable Ausstattung der Banken

mit hartem Kernkapital rührt ja nicht unbedingt daher, dass Anleger

nach ihren leidvollen Erfahrungen mit Investments in Bankaktien

darauf erpicht gewesen wären, schlechtem Geld noch gutes

hinterherzuwerfen. Ursache der Robustheit ist - neben

Gewinnthesaurierung - vielmehr vor allem, dass das Gros des

Kreditgewerbes seine Risikoaktiva drastisch zurückgefahren, Assets

verkauft und Aktivitäten aufgegeben hat und erklärtermaßen

beabsichtigt, diesen Weg weiterzugehen.

Das ist gut so, soweit dadurch die immer noch reichlich vorhandene

heiße Luft aus den Bilanzen gelassen wird. Es ist auch nicht zwingend

von Übel, wenn die Redimensionierung auf einen weiteren Rückzug von

Banken aus der Staatsfinanzierung hinausläuft, weil dies hoffentlich

eine erzieherische Wirkung auf die öffentlichen Schuldner entfalten

wird - zumindest in Gestalt risikoadäquaterer Konditionen. Alles

andere als wünschenswert wäre es hingegen, sollten die spürbar

hochgeschraubten Eigenkapitalanforderungen die Kreditversorgung der

Realwirtschaft merklich beeinträchtigen.

Jenseits der Folgen für Wachstum und Beschäftigung im Allgemeinen

dürfte das Entstehen einer Kreditklemme auch für die jetzt noch

privat gebliebenen Banken weitere Konsequenzen haben. Die Staaten

würden die Finanzierungsaufgabe nämlich verstärkt über eigene Vehikel

wahrnehmen - 'KfW & Co., übernehmen Sie'. Das europäische

Kreditwesen, das in den nächsten Jahren sowieso auf vielfache Weise

unvermindert am Tropf der EZB hängen wird, ist einer weiteren

Verstaatlichung näher, als es nach dem Euro-Gipfel auf den ersten

Blick scheinen mag.

Originaltext: Börsen-Zeitung

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